SPD dümpelt im Umfragetief
Warum die Genossen trotz unbestreitbarer Erfolge nicht vorankommen
Die Corona-Krise hat der Groko eher Zustimmung eingebracht, das Wahlvolk scheint die Arbeit zu honorieren, wobei die Union mehr oder minder alleiniger Profiteur ist. Ihre Zustimmungswerte bewegen sich derzeit um 40 Prozent. Der Koalitionspartner SPD dümpelt dagegen bei 16 Prozent, er profitiert kein bisschen vom Krisenmanagement der Regierung. Woran liegt diese Diskrepanz zwischen Anspruch und Realität in der öffentlichen Meinung?
Es ist ja keineswegs so, dass die SPD-Minister schlechte Arbeit geleistet hätten. Finanzminister Olaf Scholz präsentiert seit Wochen dem staunenden Publikum einen erstaunlich coolen Umgang mit Billionen Euro und verbreitet in der Krise Zuversicht. Selbst Außenminister Heiko Maas holte sich bei der raschen Rückholung von 200 000 Touristen aus aller Welt Meriten. Arbeitsminister Hubertus Heil steht für die Erhöhung des Kurzarbeitergeldes, und der Rest der SPD-Minister fiel wenigstens nicht mit negativen Schlagzeilen auf.
Einmal mehr zeigt sich, dass die inneren Strukturen der ehemaligen Volkspartei SPD nachhaltig zerstört sind, dass eine Erholung weit mehr braucht als die (längst nicht abgeschlossene) Bewältigung der Corona-Krise. Nach dem würdelosen Abschied der beiden Vorsitzenden Martin Schulz und Andrea Nahles hat auch die Doppel-Neubesetzung durch Norbert WalterBorjans und Saskia Esken keine Wende gebracht, die SPD steckt weiter im Umfragetief.
Ins Gespräch kommt die Partei nur dann, wenn weniger erfreuliche Nachrichten das Thema sind. So ging es
beim Bekanntwerden der geplanten Besetzung der Präsidentenstelle der Bundesanstalt für Post und Telekommunikation. Die dem Bundesfinanzministerium und damit Olaf Scholz zugeordnete Stelle wurde Andrea Nahles angedient, angesichts des bekanntermaßen guten Verhältnisses zum Genossen Olaf durchaus mit Geschmäckle. Die mit rund 150 000 Euro Jahresgehalt (B 6) dotierte Präsidentenstelle macht Nahles ab August
zur Chefin von rund 1400 Beschäftigten, deren Aufgabe es ist, sich um die Versorgung der Beamten des früheren Staatsunternehmens Bundespost zu kümmern. Auch nach einem desaströsen Rücktritt von allen politischen Ämtern lässt die SPD am Ende keinen verkommen…
Kein Skandal, Nahles kann das sicher, aber in der Öffentlichkeit hat man den Eindruck, hier musste ein lukratives Pöstchen geschaffen werden, zumal der bisherige Präsident
Andreas Hermes nach fünfjähriger Amtszeit entweder zur Generalzolldirektion Potsdam weggelobt oder aber irgendwo Amtsleiter beim CDU-Wirtschaftsminister Peter Altmaier wird.
Ähnlich unglücklich verlief der Wechsel auf dem Posten des Wehrbeauftragten des Bundestages, mit dem der bis dahin unauffällige SPD-Fraktionsvorsitzende Rolf Mützenich für Streit im eigenen Laden sorgte. Der bisherige Amtsinhaber Hans-Peter Bartels hätte gern weitergemacht, er erfreute sich darüber hinaus bei fast allen Fraktionen über die Wertschätzung seiner Arbeit. Er wurde dennoch abgelöst von der SPD-Innen- und Rechtspolitikerin Eva Högl. Richtig sauer darüber wurde das SPD-Urgestein Johannes Kahrs, der sich ebenfalls um den Posten bemüht hatte. Kahrs, haushaltspolitischer Sprecher seiner Fraktion und Sprecher des konservativen SPD-Flügels Seeheimer Kreis, verabschiedete sich ganz aus der Politik. Die SPD verlor einen ihrer bekanntesten und streitbarsten Politiker.
Mützenich verteidigte die Personalentscheidung mit den Worten „Wir hatten drei exzellente Bewerber, am Ende muss man sich eben für jemanden entscheiden“. Die „exzellente Bewerberin“Eva Högl verfügte bis dahin über keinerlei Erfahrung mit dem Thema Verteidigungspolitik. Es schien wieder einmal nur um Posten-Geschacher zu gehen.
Auch auf Landesebene sieht Geschlossenheit anders aus. Michael Müller, der NochRegierende Bürgermeister und Landeschef der Berliner SPD, hat sich, wie die TAZ schreibt, offenbar von einer kleinen Parteirunde den Listenplatz 1 für die Bundestagswahl im Herbst 2021 zusichern lassen. Zuvor hatte er mitgeteilt, dass er nicht mehr als SPD-Landesvorsitzender antreten werde. Bundesfamilienministerin Franziska Giffey und Fraktionschef Raed Saleh sollen an seiner Stelle die Berliner SPD führen. Den Listenplatz 1 ließ sich Müller als Verzicht zusichern. Nur: Neben Michael Müller will u. a. auch Juso-Chef (und stellvertretender Bundesvorsitzender!) Kevin Kühnert in den Bundestag. Der aber kommt wie Müller aus dem gleichen Kreisverband Tempelhof-Schönefeld. Die im Hinterzimmer undemokratisch ausgeklüngelte Personalrochade scheint nicht ganz so störungsfrei abzulaufen wie gewünscht, Widerstände haben sich bereits angekündigt.
Alles nicht wirklich schlimm, aber eben keine sonderlich wünschenswerten Begleitumstände eines erfolgreichen Neustarts zur Wiederauferstehung. Die SPD wirkt trotz einzelner Glanzlichter im Corona-Chaos plan- und konturenlos und damit wenig attraktiv für das Wahlvolk.
Autor dieses Beitrages ist Thomas
Haselier. Der 65 Jahre alte Redakteur schreibt regelmäßig zu politischen Themen in unserer Zeitung.
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