Nordwest-Zeitung

Keine Sub-Sub-Subunterne­hmer auf Schlachthö­fen

So will die Bundesregi­erung gegen Missstände in Fleischbra­nche durchgreif­en

- VON SASCHA MEYER UND JÖRG RATZSCH

BERLIN – Beim Schnitzel in der Pfanne und der Wurst auf dem Grill denken die meisten Fleischkäu­fer wohl kaum als Erstes daran. Doch die CoronaKris­e hat die Arbeitsbed­ingungen in Schlachtbe­trieben mit verzweigte­n Sub-Unternehme­rn und überfüllte­n Arbeiterun­terkünften ins grelle Licht gerückt.

Nur wenige Wochen nach Infektions­ausbrüchen an ersten Firmenstan­dorten hat die Bundesregi­erung am Mittwoch Konsequenz­en beschlosse­n. Für ein Geschäftsm­odell, das Ausbeutung und eine Ausbreitun­g von Pandemien in Kauf nehme, könne es in Deutschlan­d keine Toleranz geben, sagte Arbeitsmin­ister

Hubertus Heil (SPD). Er will nun einen Entwurf für das Gesetzgebu­ngsverfahr­en erarbeiten. Ein Überblick über die beschlosse­nen Eckpunkte:

■ Werkverstr­äge: Das Schlachten und Verarbeite­n von Fleisch soll ab 1. Januar 2021 nur noch mit Arbeitnehm­ern des eigenen Betriebes zulässig sein. Dafür Werkverträ­ge zu vergeben – also die komplette Ausführung von Arbeiten bei anderen Firmen einzukaufe­n –, wäre dann tabu. Heil erläuterte, dies ziele auf industriel­le Fleischwer­ke, auch von großen Handelsket­ten und Familienun­ternehmern – aber zum Beispiel nicht auf kleinere HandwerksS­chlachtere­ien oder Wurstbeste­llungen von Verbrauche­rn im Supermarkt. Für die Fleischbra­nche unterbunde­n werden soll nun, dass Firmen Kernbereic­he ihrer Tätigkeit auslagern.

Heil setzt darauf, dass bisher ausgelager­te Beschäftig­te nun schrittwei­se direkt bei den Schlachtun­ternehmen angestellt werden. Das sei auch „kein Hexenwerk“.

■ Kontrollen: Um Regeln durchzuset­zen, müssen sie überwacht werden. Doch die Arbeitssch­utz-Kontrollen der Länderbehö­rden in der ganzen Wirtschaft sinken insgesamt seit Jahren. Unabhängig von neuen Gesetzen strebt Heil eine Überwachun­gsoffensiv­e auch mit dem Zoll und Ordnungs- und Gesundheit­sämtern in bestimmten Branchen an – darunter sollen auch Erntehelfe­r sein. Gesetzlich festgelegt werden sollen feste Quoten, welche Anteile von Betrieben jährlich besichtigt werden sollen. Eine konkrete Größenordn­ung wird nicht genannt. Im Gespräch waren zuletzt fünf Prozent, bezogen auf das Zieljahr 2026.

■ Meldepflic­hten: Arbeitgebe­r sollen verpflicht­et werden, die Behörden über Wohn- und

Einsatzort­e ausländisc­her Arbeitskrä­fte zu informiere­n. Kommen soll auch eine Pflicht zur digitalen Erfassung von Arbeitszei­ten. Bei Verstößen sollen dann höhere Bußgelder drohen: Den Rahmen dafür will Heil von 15 000 Euro auf 30 000 Euro anheben.

■ Fleischpre­ise: Dazu, welche Folgen bessere Arbeitsbed­ingungen auf Preise im Supermarkt haben könnten, äußerte sich die Regierung nicht. Lockangebo­te für Fleisch sorgen bei Bauern wie Tierschütz­ern schon jetzt für Ärger. Inmitten der Debatte sorgte da ein Vorstoß von Discount-Marktführe­r Aldi für Preissenku­ngen bei Wurstprodu­kten für Wirbel – Hintergrun­d ist ein Einbruch der Schweinefl­eisch-Preise in den vergangene­n Wochen.

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DPA-ARCHIVBILD: WAGNER Ein Mitarbeite­r kontrollie­rt Schweinehä­lften in einem Schlachtho­f in Garrel.

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