So meistert das Oberlandesgericht die Coronakrise
Richter und Krisenmanager Daniel Stolz berichtet von seinen Erfahrungen kurz nach dem Amtsantritt
Herr Stolz, so haben Sie sich Ihren Amtsantritt sicher nicht vorgestellt?
Stolz: Das stimmt. Mein erster Arbeitstag im neuen Amt startete gleich mit einer Videokonferenz des Corona-Krisenstabs unter Leitung der OLGPräsidentin. Neben Finanzund Organisationsexperten sind daran auch die Personalvertretungen beteiligt. Denn die besten Konzepte bringen wenig, wenn die Mitarbeiter diese nicht mittragen. Natürlich war es ein sportlicher Auftakt für mich, andererseits birgt diese Zeit neue Herausforderungen, bei deren Bewältigung ich mich gern einbringe, unterstützt von meinem tatkräftigen Team.
Was bedeutet die Corona-Pandemie für Fristen?
Stolz: Ich kann nicht für jeden in unserem Bezirk sprechen, aber meiner Erfahrung nach achten die Kollegen generell darauf, mit Augenmaß auf die besondere Situation und dadurch bedingte Fristversäumnisse zu reagieren.
Wie läuft der Betrieb am OLG Oldenburg momentan ab?
Stolz: Mitte März haben wir den Sitzungs- und Geschäftsbetrieb im Bezirk fast komplett heruntergefahren – mit Ausnahme einiger Eilsachen. Das betrifft neben dem OLG die 23 Amtsgerichte und drei
Landgerichte mit insgesamt etwa 2500 Bediensteten. Derzeit wird der Betrieb innerhalb der Gerichte behutsam wieder hochgefahren. Das geschieht nach Vorgaben des Justizministeriums in Hannover, das
Erlasse fertigt. Wir gießen diese dann für unseren Bezirk in Form. Allerdings waren die Mitarbeiter in der Zwischenzeit nicht untätig, haben auch im Homeoffice weitergearbeitet, Urteile verfasst und sich mit den weiterlaufenden Verfahren beschäftigt.
Sie sprachen von in Form gießen. Was bedeutet das genau? Stolz: Wir geben die Vorgaben des Ministeriums an die Gerichte im Bezirk weiter. Die OLG-Präsidentin legt dabei Wert darauf, möglichst individuelle Spielräume vor Ort zu belassen – das heißt bei den jeweiligen Amts- und Landgerichten. Denn die Hausleitungen kennen sowohl ihre Mitarbeiter als auch die jeweiligen Gegebenheiten am besten. Sie können daher besonders gut einschätzen, wie sich Maßnahmen vor Ort effektiv umsetzen lassen. Schutzkleidung oder andere Hilfsmittel, die dazu benötigt werden, beschaffen wir zentral. Das Ministerium hat eine Maskenpflicht für Besucher angeordnet. Diese haben wir im öffentlich zugänglichen Bereich der Gerichte auf die Mitarbeiter erweitert, um möglichst einen gegenseitigen Schutz von Besuchern und Mitarbeitern zu erreichen. Hier erscheint eine einheitliche Handhabung in allen Gerichten des Bezirks wichtig. Welche Regeln gelten bei Verhandlungen?
Stolz: Im Sitzungssaal sieht es wieder anders aus. Dort entscheidet der Vorsitzende, wie genau Hygienemaßnahmen umgesetzt werden – etwa, ob Masken abgenommen werden dürfen. Wir als Justizverwaltung stellen sicher, dass Richter, Verfahrensbeteiligte und Besucher ausreichend weit voneinander entfernt sitzen, dass regelmäßig gelüftet wird und genügend Desinfektionsmittel vorhanden sind.
Gibt es Dinge, die nach Corona bestehen bleiben?
Stolz: Die Digitalisierung ist ein ganz wesentlicher Aspekt. Durch die Corona-Krise sind neben der Arbeit im Homeoffice vor allem audiovisuell übertragene Verhandlungen stärker in den Fokus geraten. Um lange Anreisen – etwa von Anwälten oder Sachverständigen – zu vermeiden, könnten Kollegen auch in Zukunft daran festhalten. Das spart Zeit und Geld und schont außerdem die Umwelt. Aber nicht bei jeder Verhandlung hat das Sinn. In vielen Fällen wird es vorzugswürdig bleiben, die Menschen persönlich zu treffen, auf deren Leben man als Richter Einfluss nimmt.