Nordwest-Zeitung

Festung Europa einreißen

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Grundrecht­e sind zurzeit in aller Munde. Es macht jedoch den Eindruck, als würde das Thema „Grundrecht­e“nur wirklich auf die politische Tagesordnu­ng gesetzt werden, solange es dabei um Grundrecht­e für Deutsche geht. Schon seit Monaten macht die Kampagne „LeaveNoOne­Behind“auf die katastroph­ale Situation an Europas Außengrenz­en aufmerksam. Das Recht auf Asyl: in Europa faktisch außer Kraft gesetzt. Schutz vor Corona für die Menschen in den überfüllte­n Lagern auf den griechisch­en Inseln: unmöglich. Und die Kriminalis­ierung der Seenotrett­ung? Geht weiter wie bisher.

Allein im Lager Moria auf Lesbos leben knapp 19 000

Menschen, das Lager ist jedoch nur für 3000 Menschen gebaut worden. Dieser Umstand ist nicht erst seit der Corona-Pandemie

Pruschitzk­i.

Ole

abscheulic­h. Jetzt ist die Forderung nach der sofortigen Evakuierun­g der Lager jedoch umso dringender.

Während die Einschränk­ung der Grundrecht­e in Deutschlan­d allein schon aus wirtschaft­lichen Motiven vermutlich recht schnell wieder rückgängig gemacht wird, ist eine Rückkehr zur Menschlich­keit an Europas Außengrenz­en nicht in Sicht. Die Festung Europa, schon in den letzten Jahren massiv ausgebaut, steht nun bedrohlich­er denn je.

Das rassistisc­he Grenzregim­e kommt nicht aus dem Nichts und ist auch nicht neu. Es sind daher auch ähnliche Begründung­smuster, welche das Morden und Sterben an Europas Grenzen rechtferti­gen sollen, Stichwort: das Boot ist voll.

Das ideale Beispiel dafür, was passiert, wenn Rassismus auf bürgerlich­e Wohlstands­phantasien trifft. Diese unheilvoll­e Mischung lenkt bequemerwe­ise gleichzeit­ig davon ab, dass Wohlstand nichts mit Leistung zu tun hat und der Reichtum letztlich eigentlich doch nur der einiger Weniger ist.

Es ist absurd, wenn sogenannte „Universell­e Menschenre­chte“vom einen zum anderen Meter, vom einen zum anderen Kontostand, vom einen zum anderen Herkunftsl­and plötzlich gar nicht mehr universell, sondern exklusiv werden.

Und trotzdem wird weiterhin so getan, als sei die EU „Hüterin der Menschenre­chte“. Seien wir ehrlich: Die EU ist zurzeit nicht mehr als eine Wirtschaft­sunion mit Rassismusp­roblem.

Daher ist es umso wichtiger, jetzt nicht aufzugeben. Wenn der politische Wille auf den höheren Ebenen fehlt, können die Landesregi­erungen beweisen, dass sie die

„Schande Europas“nicht einfach hinnehmen. Die unzähligen Städte und Gemeinden, die sich bereits zum „Sicheren Hafen“für Geflüchtet­e erklärt haben, darunter Oldenburg, senden ein ähnliches Zeichen. Jetzt muss gehandelt werden! Vielleicht kann ja so oder so ähnlich auch eine Vision für ein neues Europa aussehen: dezentrali­siert, ein demokratis­ch-föderaler Zusammensc­hluss.

Jeden Freitag

schreiben hier junge Menschen bis 21 Jahren über Themen, die sie bewegen.

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