Warum der Podcast-Markt so boomt
Medium erlebt inmitten der digitalen Transformation im deutschen Medienmarkt Aufwind
Im Bus, im Bett, beim Joggen: Das Medium Podcast erfreut sich wachsender Beliebtheit. Ein Ende des Booms ist nicht in Sicht.
BERLIN – Es gibt Audio-Podcasts über Politik, Geschichte, Selbstoptimierung, das PromiLeben und darüber, wie man im Garten Schädlinge von seinen Rosen fernhält. Was den Boom wohl gut verdeutlicht: Es gibt sogar Podcasts über Podcasts – als Orientierung im Dschungel der Angebote. Dahinter steht ein wachsender Markt von Produktionsfirmen und Plattformanbietern in Deutschland. Es geht um Reichweite, Werbeeinnahmen und Abomodelle. Wie viel Platz ist noch im hiesigen Markt?
Internationale Schwergewichte wie Apple, Google, Deezer und der schwedische Streaming-Dienst Spotify – der zuletzt massiv in den Ausbau des Podcast-Angebots investierte – haben sich Marktanteile gesichert. Jüngst kam der Medienkonzern ProSiebenSat.1 mit der Audio-Plattform FYEO – „For Your Ears Only“– hinzu. Die Mediengruppe aus Unterföhring bei München bietet bestimmte Podcasts kostenlos an, darüber hinaus gibt es ein Abo-Modell (monatlich 4,99 Euro).
„Viel professioneller“
Der Konzern Bertelsmann ist den Schritt mit PodcastPlattform schon davor gegangen – und etablierte zudem eine Produktionsfirma. „Der Grund, weshalb wir in den Markt gegangen sind, ist nicht, dass er schon so groß war, sondern weil er so viel Potenzial hat“, sagt die Geschäftsführerin der Audio Alliance, Mirijam Trunk.
Der Gütersloher Konzern, zu dem die Mediengruppe RTL und das Verlagshaus Gruner +
Jahr („Stern“) gehören, gründete vor einem Jahr das Podcast-Produktionsunternehmen in Berlin – im ersten Jahr entstanden rund 80 PodcastFormate. Zudem wurde bereits im März 2019 die PodcastPlattform „Audio Now“mit inzwischen sechs Millionen Unique Usern pro Monat gestartet. Das Konzept: Für die Produktion der Podcasts nutzt die Audio Alliance die Synergien der Bertelsmann Content Alliance mit ihren Geschäftsbereichen aus Medien, Musik und Film sowie deren Marken und Persönlichkeiten. Die Nutzung der Podcasts und der Plattform ist kostenlos. Geld soll mit Werbeeinnahmen verdient werden. „Das gilt nur für unsere eigenproduzierten Podcasts.“
Wie viele Plattformanbieter und Produktionsfirmen es in Deutschland gibt und was damit verdient wird, ist nicht exakt zu ermitteln. Verbandszahlen liegen nicht vor, der Markt ist vielfältig und zerklüftet. Laut einer Analyse der Unternehmensberatung
PricewaterhouseCoopers aus 2019 stiegen die Werbeerlöse mit Podcasts im Hörfunkmarkt von zwei Millionen Euro im Jahr 2014 auf 48 Millionen im Jahr 2018. Tendenz weiter steigend.
Fragt man auf Produzentenseite, ergibt sich dieses Bild: Die Konkurrenz wächst und auch die Zahl der Hörer
steigt. „Das Geschäft wird viel professioneller betrieben als noch vor Jahren“, sagt der Mitgründer von Podcast-Produzent Podstars (Schwesterunternehmen der Marketingund Digital-Plattform OMR), Vincent Kittmann. Heute sei es deshalb auch schwieriger als noch vor Jahren, einen neuen Podcast erfolgreich zu platzieren. Er schätzt, dass es in Deutschland gut 20 professionelle Podcast-Produktionsfirmen gibt.
Auch die öffentlich-rechtlichen Sender bauen ihr Podcast-Angebot seit Jahren aus. Erfolgreichstes Beispiel: der NDR-Podcast mit dem Leiter der Virologie an der Berliner Charité, Christian Drosten. Über alle Plattformen hinweg wurde das „NDR Info Coronavirus-Update“bislang rund 43 Millionen Mal heruntergeladen oder abgespielt, teilte der Norddeutsche Rundfunk mit.
Noch Nachholbedarf
Dem Digitalverband Bitkom zufolge liegt der Boom im Podcast-Markt auch daran: „Gegenüber anderen Ländern, beispielsweise den USA, hat Deutschland noch Nachholbedarf, sodass hierzulande das Wachstum stärker ausfallen wird“, sagt Sebastian Klöß, Referent Consumer Technology beim Bitkom. „Die Bedeutung von Podcasts als gestreamter Audioinhalt wird weiter zunehmen.“Einer repräsentativen Bitkom-Umfrage aus dem vergangenen Jahr zufolge hörte damals jeder vierte Bürger (26 Prozent) Podcasts, im Jahr davor waren es 22 Prozent.
Auch bei den Plattformen ist das Dynamische sichtbar. Eine neue Plattform speziell für Podcasts hat auch die radio.de GmbH in Hamburg, die zum Digital-Portfolio der Madsack Mediengruppe gehört, geschaffen. Das Konzept der Firma, die bereits im Jahre 2006/07 mit der Plattform radio.de für Live-Radios an den Markt ging und inzwischen knapp acht Millionen Nutzer verzeichnet, ist das eines Aggregatoren. „radio.de ist im Grunde eine Suchmaschine“, sagt Bernhard Bahners, Chief Digital Officer bei Madsack und zugleich Geschäftsführer bei radio.de. Eigene Inhalte produziert die Firma nicht.
Das Podcast-Angebot der Nordwest-Zeitung finden Sie unter www.nwzonline.de/podcasts