Mehr Geld für geschiedene Frauen
Bundesverfassungsgericht bestätigt Betriebsrenten-Aufteilung – Letzte Hoffnung Familiengericht?
Eine traditionelle Rollenverteilung macht sich auch bei der Rente bemerkbar. Bei einer Scheidung werden die finanziellen Nachteile bisher nicht immer fair ausgeglichen. Damit soll nun Schluss sein.
BERLIN/KARLSRUHE – Bei einer Scheidung werden die Rentenansprüche prinzipiell miteinander verrechnet. Wer erhält was? Die Aufteilung ist durch das Versorgungsausgleichsgesetz geregelt. Bisher herrschte aber ein großes Fragezeichen, ob die Teilung von Betriebsrenten, bei der eine Sonderregel gilt, verfassungskonform ist. Denn dabei erhält ein Partner – meist die Frau – oft deutlich weniger als die Hälfte der Ansprüche.
Das Bundesverfassungsgericht hat am Dienstag entschieden, dass die spezielle Art der Teilung der Betriebsrente mit der Verfassung vereinbar ist. Allerdings drängt das Gericht auf eine Besserstellung geschiedener Frauen. Häufig sind sie es, die bei einer Scheidung Anwartschaften vom Mann erhalten, da sie im Laufe ihres Berufslebens durch Hausarbeit und Kindererziehung meist weniger Rentenansprüche erworben haben.
Das Oberlandesgericht Hamm hatte die Sonderregelung für Betriebsrenten für verfassungswidrig gehalten. Es setzte deshalb eine Scheidung aus und legte die Frage Karlsruhe vor.
Das Bundesverfassungsgericht bestätigte zwar die geltende Regelung. Paragraf 17 könne verfassungskonform ausgelegt werden, urteilte der Erste Senat unter dem künftigen Gerichtspräsidenten Stephan
Harbarth. Die Familiengerichte müssten künftig aber gewährleisten, dass es zu keiner systematischen Benachteiligung bei der Berechnung der Ansprüche komme. Letzte Hoffnung Familiengericht? Hintergründe zum Urteil des Bundesverfassungsgerichts (Az. 1 BvL 5/18):
Was genau fordern ? die Karlsruher Richter
Die ausgleichsberechtigte Person – meist die Frau – darf bei der Aufteilung der Rentenansprüche keine „unangemessene Verringerung“erwarten, so das Gericht. Als maximale Obergrenze seien zehn Prozent Verlust vertretbar. Die Familiengerichte sollen die Regelung verfassungskonform anwenden – also bei Scheidungen faire Lösungen im Sinn des Mannes, der Frau und des Arbeitgebers finden.
Welche Regelung hat ? Karlsruhe geprüft
Die Aufteilung der Rente geschieht meist innerhalb einer Versicherung, etwa bei der gesetzlichen Rente. Bei Betriebsrenten darf der Träger im Fall einer Scheidung aber verlangen, dass die Ansprüche der ausgleichsberechtigten Person, meist der Frau, bei einer anderen Versicherung angelegt werden. Hintergrund ist, dass die Versorgungswerke der Arbeitgeber keinen Verwaltungsaufwand durch einen weiteren Rentenbezieher haben sollen. Durch die niedrigen Zinsen der vergangenen Jahre kam es bei der Übertragung auf eine andere Kasse aber zu großen Verlusten.
Wie viel geringer sind ? die Bezüge für Frauen
Betroffene müssen Abschläge von weit mehr als 50 Prozent hinnehmen. In einem Fall wären laut Oberlandesgericht Hamm von Ansprüchen in Höhe von rund 700 Euro pro Monat nur noch rund 285 Euro übrig geblieben. Verfassungsrichterin Gabriele Britz schilderte die Folgen: Der Mann verliert die Hälfte seines Betriebsrenten-Anspruches, bei der Frau kommt aber nur ein Teil davon an.
Wie lauten die Reaktionen ? auf das Urteil
Der Deutsche Juristinnenbund begrüßt, dass das Bundesverfassungsgericht die Benachteiligung durch die Regelung,
welche in 90 Prozent Frauen betreffe, klar als solche benannt habe. „Die gefundene Lösung der verfassungskonformen Anwendung verlagert jedoch das Problem weiterhin auf die Betroffenen und an die Gerichte, die nun in Einzelfallprüfungen für Gerechtigkeit sorgen müssen“, sagte die Präsidentin des Verbandes, Maria Wersig.
Der Deutsche Anwaltverein warnt davor, dass die Familiengerichte überlastet werden könnten. Die umfangreichen Prüfungen bei Scheidungen zur Aufteilung der Betriebsrente seien eine enorme Aufgabe für die Familiengerichte, sagte Klaus Weil. Er gehe davon aus, dass dies nicht jeder Richter so ohne Weiteres gewährleisten könne und künftig Sachverständige hinzugezogen werden müssten.