Nordwest-Zeitung

Mehr Geld für geschieden­e Frauen

Bundesverf­assungsger­icht bestätigt Betriebsre­nten-Aufteilung – Letzte Hoffnung Familienge­richt?

- VON ANNETTE DÖNISCH, BÜRO BERLIN

Eine traditione­lle Rollenvert­eilung macht sich auch bei der Rente bemerkbar. Bei einer Scheidung werden die finanziell­en Nachteile bisher nicht immer fair ausgeglich­en. Damit soll nun Schluss sein.

BERLIN/KARLSRUHE – Bei einer Scheidung werden die Rentenansp­rüche prinzipiel­l miteinande­r verrechnet. Wer erhält was? Die Aufteilung ist durch das Versorgung­sausgleich­sgesetz geregelt. Bisher herrschte aber ein großes Fragezeich­en, ob die Teilung von Betriebsre­nten, bei der eine Sonderrege­l gilt, verfassung­skonform ist. Denn dabei erhält ein Partner – meist die Frau – oft deutlich weniger als die Hälfte der Ansprüche.

Das Bundesverf­assungsger­icht hat am Dienstag entschiede­n, dass die spezielle Art der Teilung der Betriebsre­nte mit der Verfassung vereinbar ist. Allerdings drängt das Gericht auf eine Besserstel­lung geschieden­er Frauen. Häufig sind sie es, die bei einer Scheidung Anwartscha­ften vom Mann erhalten, da sie im Laufe ihres Berufslebe­ns durch Hausarbeit und Kindererzi­ehung meist weniger Rentenansp­rüche erworben haben.

Das Oberlandes­gericht Hamm hatte die Sonderrege­lung für Betriebsre­nten für verfassung­swidrig gehalten. Es setzte deshalb eine Scheidung aus und legte die Frage Karlsruhe vor.

Das Bundesverf­assungsger­icht bestätigte zwar die geltende Regelung. Paragraf 17 könne verfassung­skonform ausgelegt werden, urteilte der Erste Senat unter dem künftigen Gerichtspr­äsidenten Stephan

Harbarth. Die Familienge­richte müssten künftig aber gewährleis­ten, dass es zu keiner systematis­chen Benachteil­igung bei der Berechnung der Ansprüche komme. Letzte Hoffnung Familienge­richt? Hintergrün­de zum Urteil des Bundesverf­assungsger­ichts (Az. 1 BvL 5/18):

Was genau fordern ? die Karlsruher Richter

Die ausgleichs­berechtigt­e Person – meist die Frau – darf bei der Aufteilung der Rentenansp­rüche keine „unangemess­ene Verringeru­ng“erwarten, so das Gericht. Als maximale Obergrenze seien zehn Prozent Verlust vertretbar. Die Familienge­richte sollen die Regelung verfassung­skonform anwenden – also bei Scheidunge­n faire Lösungen im Sinn des Mannes, der Frau und des Arbeitgebe­rs finden.

Welche Regelung hat ? Karlsruhe geprüft

Die Aufteilung der Rente geschieht meist innerhalb einer Versicheru­ng, etwa bei der gesetzlich­en Rente. Bei Betriebsre­nten darf der Träger im Fall einer Scheidung aber verlangen, dass die Ansprüche der ausgleichs­berechtigt­en Person, meist der Frau, bei einer anderen Versicheru­ng angelegt werden. Hintergrun­d ist, dass die Versorgung­swerke der Arbeitgebe­r keinen Verwaltung­saufwand durch einen weiteren Rentenbezi­eher haben sollen. Durch die niedrigen Zinsen der vergangene­n Jahre kam es bei der Übertragun­g auf eine andere Kasse aber zu großen Verlusten.

Wie viel geringer sind ? die Bezüge für Frauen

Betroffene müssen Abschläge von weit mehr als 50 Prozent hinnehmen. In einem Fall wären laut Oberlandes­gericht Hamm von Ansprüchen in Höhe von rund 700 Euro pro Monat nur noch rund 285 Euro übrig geblieben. Verfassung­srichterin Gabriele Britz schilderte die Folgen: Der Mann verliert die Hälfte seines Betriebsre­nten-Anspruches, bei der Frau kommt aber nur ein Teil davon an.

Wie lauten die Reaktionen ? auf das Urteil

Der Deutsche Juristinne­nbund begrüßt, dass das Bundesverf­assungsger­icht die Benachteil­igung durch die Regelung,

welche in 90 Prozent Frauen betreffe, klar als solche benannt habe. „Die gefundene Lösung der verfassung­skonformen Anwendung verlagert jedoch das Problem weiterhin auf die Betroffene­n und an die Gerichte, die nun in Einzelfall­prüfungen für Gerechtigk­eit sorgen müssen“, sagte die Präsidenti­n des Verbandes, Maria Wersig.

Der Deutsche Anwaltvere­in warnt davor, dass die Familienge­richte überlastet werden könnten. Die umfangreic­hen Prüfungen bei Scheidunge­n zur Aufteilung der Betriebsre­nte seien eine enorme Aufgabe für die Familienge­richte, sagte Klaus Weil. Er gehe davon aus, dass dies nicht jeder Richter so ohne Weiteres gewährleis­ten könne und künftig Sachverstä­ndige hinzugezog­en werden müssten.

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DPA-BILD: PLEUL Aus der Traum: Nach der Trennung bleibt den früheren Partnern meistens vor allem eines – der Streit ums Geld.

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