Nordwest-Zeitung

Schlagzeug­er Jimmy Cobb hat die Bühne für immer verlassen

91-jährig gestorben – Mitarbeit am erfolgreic­hsten Jazz-Album aller Zeiten: „Kind of Blue“– 1960 in Oldenburg gespielt

- VON OLIVER SCHULZ

NEW YORK – Jimmy Cobb ist tot. Gestorben ist der Schlagzeug­er am Sonntag in New York 91-jährig an den Folgen von Lungenkreb­s, schrieb dessen Frau Eleana Tee Cobb auf Facebook. Die schwere Krankheit war am Ende ebenso unerbittli­ch wie zuvor das lange Musikerleb­en, das Wilbur James Cobb gelebt hat. Im Laufe der vielen Jahrzehnte spielte der Drummer mit Größen wie Dizzy Gillespie und Stan Getz und begleitete Sängerinne­n wie Billie Holiday und Sarah Vaughan. Damit nicht genug, hat Cobb im bedeutungs­vollen Jahr 1959 seinen nicht geringen Beitrag geleistet zum erfolgreic­hsten Jazzalbum aller Zeiten: „Kind of Blue“.

Jimmy Cobb war der letzte Überlebend­e der legendären Musikerrie­ge mit Cannonball Adderly, John Coltrane, Wynton Kelly, Bill Evans, Paul Chambers und Miles Davis, die an zwei Tagen im Frühling vor 61 Jahren, am 2. März und am 22. April, eine Referenz in Sachen Aufnahme und Klang lieferten.

„Ich erinnere mich daran, dass ich morgens beim Aufstehen ein wenig aufgeregt war – immerhin hatte ich einen Aufnahmete­rmin mit Miles Davis“, schrieb Cobb im Vorwort der lesenswert­en Dokumentat­ion „Kind of Blue“von Ashley Kahn. „Zuerst gingen wir ein paar von den Stücken durch, und als wir dann loslegten, klang es sehr schön und flüssig. Überhaupt nicht angeJazzsz­ene strengt. Es gab keine Anspannung, einfach locker.“

Mit einem plätschern­den Becken geleitete er Miles Davis ins Solo von „So What“, eröffnete also gewisserma­ßen das Album und forderte gleichzeit­ig ein ganz neues Hörverstän­dnis und eine neue Gefühlswel­t ein. „,Kind of Blue’ war anders als die Musik, die Miles vorher gemacht hatte. Er fing damals an, modal zu spielen“, erinnerte sich Autodidakt Cobb im Jahr 2009. „Ich glaube, die ganze unprofessi­onelle achtete damals darauf, was Miles Neues machte. Ich bin sehr stolz, daran beteiligt gewesen zu sein!“

In der Folge brachte das Miles Davis Quintett diese Aufnahmen auf die Bühne – und sogar bis nach Oldenburg.

Am 26. März 1960 gastierten Davis, Coltrane, Chambers, Kelly und eben Jimmy Cobb in der Weser-Ems-Halle. In der Konzertrei­he „Jazz at the Philharmon­ic“traten an diesem denkwürdig­en Abend zudem das Stan-Getz-Quartett und das Trio Oscar Peterson auf.

Dass er ein wunderbare­r Mitspieler („Sideman“) war, wussten alle. Deshalb taucht er auf späteren Solo-Alben von Davis, Coltrane und Wes Montgomery auf. 2006, kurz nach seinem 75. Geburtstag, lieferte er an der Seite von Ellis Marsalis mit „Marsalis Music Honors Jimmy Cobb“mit vier eigenes Kompositio­nen sein Tribute-Album ab. Jetzt ist er gestorben. Die nächste Legende des Jazz hat die Bühne für immer verlassen.

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BILD: ARCHIV Schlagzeug­er Jimmy Cobb (von links) mit Pianist Wynton Kelly und Miles Davis auf Europa-Tournee 1960
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DPA-BILD: ETXEZARRET­A Ausgezeich­net: Jimmy Cobb im Jahr 2012

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