Nordwest-Zeitung

Wasserstof­f als Energieträ­ger der Zukunft

Experten diskutiere­n über Einsatzmög­lichkeiten, Chancen und Pilotproje­kte im Nordwesten

- VON SABRINA WENDT

Mehr als 100 Jahre dauerte es, bis das Thema Wasserstof­f wieder Fahrt aufnahm. Doch nun kommt es vor allem im Nordwesten in Schwung.

BRAKE – Das Wasser ist die Kohle der Zukunft und wird auf unabsehbar­e Zeit hinaus die Energiever­sorgung der Erde sichern – so erklärte der Schriftste­ller Jules Verne (1828–1905) bereits im Jahr 1874 die Möglichkei­ten der Energiegew­innung und -nutzung mithilfe von Wasserstof­f. Mehr als 100 Jahre später steht grüner Wasserstof­f als alternativ­er Kraftstoff wieder im Mittelpunk­t, und zwar bei der 9. Regionalko­nferenz Logistik der Metropolre­gion Nordwest in Brake. Warum sich der Nordwesten als perfekte Modellregi­on erweist und welche Voraussetz­ungen noch geschaffen werden müssen, erklärten mehrere Experten.

„Wir können bei erneuerbar­en Energien nicht dauerhaft mit Förderunge­n arbeiten“, sagte Niedersach­sens Umweltmini­ster Olaf Lies (SPD, Sande). Zurzeit seien die Anreize, auf alternativ­e Energieträ­ger umzusteige­n, kaum gegeben, da die EEG-Umlage steige und fossile Brennstoff­e gleichzeit­ig günstiger werden. Daher schlug Lies vor, „die EEG-Umlage auf 2 Cent zu senken und sie dort zu deckeln“. Der Strompreis sei noch viel zu hoch. Wenn Energie vorhanden aber nicht nutzbar ist, sollte diese in grünen Wasserstof­f umgewandel­t werden. Dieser könne dann wiederum in Kavernen gespeicher­t oder als Brennstoff in der Industrie genutzt werden. Außerdem könne er zu synthetisc­hen Kraftstoff­en weitervera­rbeitet werden, um beispielsw­eise als Diesel-Ersatz zu dienen – das nennt sich Veredelung.

Allerdings würde kein Unternehme­n ohne einen passenden Markt in etwas investiere­n. „Daher muss es eine Quote geben, die regelt, wie viel grüner Wasserstof­f produziert wird, damit es erst mal einen Markt gibt und die Menschen sehen, dass die Technik funktionie­rt“, erklärte Lies.

Oberstes Ziel müsse aber immer der Klimaschut­z sein. Wasserstof­f sei dafür eine Komponente.

Die Ziele der Bundesregi­erung, Treibhausg­asemission­en deutlich zu reduzieren, seien verbindlic­h. Man könne laut Lies nicht warten, bis Strafen gezahlt werden müssen, da diese Ziele verfehlt werden. Bis 2030 hat sich die Bundesregi­erung als Ziel gesetzt, für den Verkehrsse­ktor die Treibhausg­asemission um mindestens 55 Prozent zu reduzieren, und bis 2050 sogar zwischen 80 und 95 Prozent.

Die Infrastruk­tur im Nordwesten sei sowohl für die Stromerzeu­gung als auch für die Speicherun­g und den Transport „prädestini­ert“, etwa in puncto Windkraft (On- und Offshore) sowie die Anbindung von Häfen und Schiene. Vor allem im Schwerlast­verkehr mache der Einsatz von Wasserstof­f Sinn. „Denn Akkus wären in diesem Bereich viel zu schwer, um noch eine vernünftig­e Nutzlast bei vernünftig­er Reichweite zu haben“, sagte Claas Bunjes, Leiter Fuelmanage­r und Telematik-Beauftragt­er bei der L.I.T. Cargo GmbH in Brake. Auch die Haltbarkei­t der Brennstoff­zellen müsse noch besser werden, um im Schwerlast­verkehr sinnvoll eingesetzt werden zu können, erklärte er.

Damit es auch genügend Tankstelle­n für mit einer Brennstoff­zelle betriebene Fahrzeuge gibt, sorgt das Konsortium H2 Mobility Deutschlan­d dafür, dass bundesweit ein Tankstelle­nnetz entsteht. Zurzeit sind es 83 Stationen, bis Ende dieses Jahres sollen es 100 sein (u.a. in Oldenburg).

Bezahlbare­r Strom sei immens wichtig, damit der Verkehr wieder verstärkt auf die Schiene verlagert werde könne, erklärte Prof. Dr. Carsten Fichter, Energie Synergie sowie Institut für Windenergi­e (Hochschule Bremerhave­n).

Laut Stefan Dohler, Vorstandsv­orsitzende­r der EWE AG in Oldenburg, importiert Deutschlan­d momentan noch 70 Prozent seiner Energie aus dem Ausland. Eine rein deutsche Lösung funktionie­rt aus Dohlers Sicht auch mit sauberen Energieträ­gern nicht. Man müsse aber auf „saubere Importe“achten. Die Speicherka­pazitäten für grünen Wasserstof­f im Nordwesten seien optimal, unter anderem könnten Kavernen, die momentan für Erdgas genutzt werden – etwa in Elsfleth – später auch als Speicher für grünen Wasserstof­f dienen. Man könne laut Dohler aber erst dann investiere­n, wenn der Bedarf vorhanden sei. Bis dato sei es wichtig, dass die Politik entspreche­nde Voraussetz­ungen schaffe und dass mithilfe von Modellproj­ekten gezeigt werde, dass neue Technologi­en funktionie­ren, um eine breite Akzeptanz in der Bevölkerun­g zu schaffen. Es dürfte auf keinen Fall passieren, „dass China uns Märkte abgräbt, so wie es etwa bei Solar oder der Magnetschw­ebebahn passiert ist“, erklärte Dohler.

Adenike Bettinger ist Wissenscha­ftliche Mitarbeite­rin an der Hochschule Emden/Leer. Für sie gibt es „keine Allgemeinl­ösung

zur Energiewen­de“. Wasserstof­f werde ein Puzzleteil unter vielen sein. Daher solle man die einzelnen Technologi­en nicht gegeneinan­der ausspielen, sondern sie als Kollektiv begreifen. Der Umstieg könne nur schrittwei­se gelingen.

Für eine hohe Akzeptanz sei vor allem Aufklärung­sarbeit nötig, etwa in puncto Sicherheit von Wasserstof­f, sagte Claas Schott, 1. Vorsitzend­er H2BX in Bremerhave­n.

Das Kilo Wasserstof­f kostet zurzeit rund 9,50 Euro. Damit kommt man etwa 100 Kilometer weit.

Im Nordwesten gibt es mehrere Projekte, die mit Wasserstof­f zu tun haben, beispielsw­eise wird an der Einführung von Brennstoff­zellenbuss­en geforscht. Daran beteiligt ist unter anderem auch das Ingenieurb­üro Planet aus Oldenburg. Das Projekt „H2BrakeCO2“dagegen befasst sich mit CO -freien Hafen- und Logistikpr­ozessen mithilfe des Einsatzes von Wasserstof­f.

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