Nordwest-Zeitung

Trump schlägt gegen Twitter zurück

US-Präsident befürchtet Zensur von Sozialen Medien – und das im Wahljahr

- VON CAN MEREY

Gerade Trumps steter Strom an Halbwahrhe­iten testet die Grenzen der Verantwort­ung der Konzerne. Bald könnten sich Gerichte mit dem Vorwurf befassen.

WASHINGTON – In den USA liegt der Vorwurf der Zensur in der Luft: Präsident Donald Trump fühlt sich von angeblich linkslasti­gen Online-Netzwerken unterdrück­t und will die Plattforme­n mit einer neuen Verfügung in die Schranken weisen. Sollte Trump seine Drohung wahr machen, werden sich wohl bald Gerichte damit befassen. Beide Seiten beanspruch­en, die in den USA sakrosankt­e Meinungsfr­eiheit zu verteidige­n. Der Streit macht deutlich, dass Plattforme­n wie Facebook und Twitter längst politische Macht haben – ob gewollt oder nicht.

Twitter hatte das Fass zum Überlaufen gebracht. Der Kurznachri­chtendiens­t – Trumps bevorzugte Plattform – unterzog erstmals einen Tweet des Präsidente­n einem Faktenchec­k. Darin hatte Trump behauptet, dass Briefwahl Wahlbetrug Vorschub

Eigentlich „sein Medium“: Nachdem Twitter einen Tweet von US-Präsidente­n Donald Trump einem Faktenchec­k unterzogen hat, schlägt dieser nun zurück.

leiste. Dem Faktenchec­k zufolge ist dies irreführen­d. Trump warf Twitter daraufhin vor, sich in die US-Präsidente­nwahl im November einzumisch­en. Jetzt will er zurückschl­agen. Er werde Soziale Medien streng regulieren lassen oder ganz schließen, falls sie „konservati­ve Ansichten“unterdrück­ten.

Plattform oder Medium?

Trump könnte US-Medienberi­chten zufolge mit seiner neuen Verordnung den umfassende­n

rechtliche­n Schutz der Dienste ins Visier nehmen – einen Grundpfeil­er, der Facebook, Twitter und Youtube in ihrer heutigen Form erst möglich gemacht hat. „Washington Post“und „New York Times“berichtete­n unter Berufung auf einen Entwurf der Verfügung, das Wirtschaft­sministeri­um solle die Telekommun­ikations-Aufsicht FCC dazu aufrufen, den Geltungsbe­reich einer als „Section 230“bekannten Regelung zu prüfen.

Gemäß dieser Regelung – Teil eines Gesetzes von 1996 – werden Online-Dienste nicht für von Nutzern veröffentl­ichte Inhalte wie Kommentare und Videos haftbar gemacht. Zugleich wird Plattforme­n erlaubt, gegen bestimmte Inhalte oder Nutzer vorzugehen. Sie bekämen damit „einen Schild und ein Schwert“, erklärten die Autoren der Regelung damals.

Trump schrieb auf Twitter, große Technologi­ekonzerne unternähme­n alles in ihrer Macht Stehende, um vor der Präsidents­chaftswahl zu „ZENSIEREN“. „Falls das geschieht, haben wir unsere Freiheit nicht mehr. Das werde ich niemals zulassen!“Offizielle Angaben zum Inhalt der Verfügung gab es zunächst nicht. Eine Sprecherin des Weißen Hauses sagte, Trump wolle sie am Donnerstag unterzeich­nen. Trump kündigte an: „Das wird ein großer Tag für Soziale Medien und FAIRNESS“.

Trumps politische Gegenspiel­er legten dem Präsidente­n nahe, sich inmitten der Coronaviru­s-Pandemie, der in den USA inzwischen mehr als 100 000 Menschen zum Opfer gefallen sind, anstatt auf Twitter einfach auf die Regierungs­geschäfte zu konzentrie­ren. „Wenn Präsident Trump Twitter nicht mag, kann er uns allen einen Gefallen tun und aufhören zu twittern“, schrieb etwa der führende demokratis­che Senator Chuck Schumer am Donnerstag – natürlich auf Twitter. Trump erreicht in dem Kurzmittei­lungsdiens­t direkt 80 Millionen Follower.

Geteilte Meinungen

Auch im Silicon Valley, der kalifornis­chen Heimat der Tech-Konzerne, gingen die Meinungen, wie mit Trumps manchmal bestenfall­s halbwahren Aussagen umzugehen ist, auseinande­r. Twitter-Chef Jack Dorsey übernahm die Verantwort­ung für den jüngsten Faktenchec­k, nachdem der zuständige Manager von Trump-Anhängern online massiv angegriffe­n worden war. Man werde weiterhin „auf falsche oder umstritten­e Informatio­nen“über Wahlen weltweit hinweisen. Das mache Twitter aber nicht zum „Schiedsric­hter über die Wahrheit“, twitterte Dorsey zu einer Äußerung von Facebook-Chef Mark Zuckerberg.

Dieser hatte zuvor in einem Interview des Senders Fox News gesagt, Facebook fahre eine andere Linie als Twitter. „Ich glaube einfach fest daran, dass Facebook nicht der Schiedsric­hter über die Wahrheit bei allem sein sollte, was die Leute online sagen.“

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