Jahrhundertprojekt
Mit einem 750 Milliarden Euro-Wiederaufbaufonds will die Kommission der Europäischen Union die von Corona geschwächte europäische Wirtschaft wieder in Gang bringen. Dafür wird sie erstmals in solch großem Umfang EU-Staatsanleihen ausgeben. Dies ist durch keine Verfassung gedeckt.
Faktisch stellt die EU zugleich eine eigene, neue Finanzverfassung auf. Denn der Haushalt der Europäischen Union soll im Zuge des Fonds deutlich aufgestockt werden, um das Paket zu finanzieren. Die Rückzahlung der Schulden, die die EU-Länder dafür werden aufnehmen müssen, werden über 30 Jahre gestreckt, so dass noch kommende Generationen dafür bezahlen. Ein Akt europäischer Solidarität, um die Folgen von Corona zu überwinden.
Bedenklich ist neben der Höhe der Summe und deren Finanzierungsweise, die Vorgehensweise ohne Rechtsgrundlage und die zweifelhafte Kontrolle. Der Großteil der Hilfen erfolgt über Zuschüsse an die schwer betroffenen EUSüdländer. Zusätzliche Kredite müssen diese gemäß ihres Anteils am EU-BIP zurückzahlen. Deutschland wird in Relation am meisten für das Paket aufbringen müssen, im Gegenzug werden die Absatzmärkte im Süden stabilisiert. So weit, so nachvollziehbar.
Doch mit dem Wiederaufbaufonds schafft die Europäische Kommission Fakten. Die EU wird unauflösbar, allein schon finanziell. Dieses mehr an Europa macht Sinn, um gegen die Wirtschaftsblöcke USA und China, die sich künftig noch mehr auf sich selbst konzentrieren werden, bestehen zu können. Erkauft aber wird dies erneut mit einem weniger an Demokratie. Krisenbedingt vollzieht die EU den Weg der existenziellen Einheit, materialisiert in Euroscheinen, doch politisch bleibt alles wie es war. Grabenkämpfe und Zerreißproben bleiben damit programmiert.
Auf Dauer aber wird die EU nur mit der breiten Zustimmung der Menschen funktionieren können. Die Milliarden aus dem Fonds sollen ausschließlich in klimafreundliche, digitale und EU-stärkende Projekte in den jeweiligen betroffenen Ländern fließen. Gut so, doch wie genau wird dies überprüft, die Verwendung der Gelder kontrolliert?
Da die finanzielle Unterstützung schnell ankommen muss, noch bevor sich in Europa die Insolvenzwellen aufbauen, wird vieles wohl zügig durchgewinkt werden, ungeachtet der Kontrolle. Der Verwaltungsapparat, den die EU dafür aufbauen muss, wird riesig. Auch er wird kosten.
Angesichts der Deglobalisierung, die auf Corona folgen wird, kann Europas Antwort auf die Zukunft nur Europa lauten. Der Wiederaufbaufonds, um den die EU-Länder final noch ringen, stellt eine historische Zäsur dar. Es ist eine Jahrhundert-Entscheidung, die in jeder Hinsicht nachwirken wird.
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