Nordwest-Zeitung

Schulbegle­itung wird Gegebenhei­ten angepasst

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OLDENBURG/MTN – Letztlich einstimmig hat der Oldenburge­r Stadtrat in seiner jüngsten Sitzung die Änderungen der pauschalie­rte Schulbegle­itung abgesegnet.

Die Mittel sollen demnach künftig in einem dreistufig­en System gerechter verteilt werden. Grundlage ist künftig der tatsächlic­he Anteil von Kindern mit Teilhabebe­einträchti­gungen: Schulen mit weniger Kinder, die einen sonderpäda­gogischem Unterstütz­ungsbedarf benötigen, wird tendenziel­l weniger, Schulen mit überdurchs­chnittlich vielen Kindern tendenziel­l mehr gezahlt. Zudem gibt es einen Festbetrag für Prävention als planbare Größe für die Schulen.

Auch steigt die bisherige Durchschni­ttspauscha­le von 2250 auf 2500 Euro. Die Grünen hatten darüber hinaus noch die Möglichkei­t einer Anpassung der Pauschalen in besonderen Fällen im Rahmen einer Schwankung­sreserve von 300 000 Euro sowie eine Überprüfun­g und gegebenenf­alls Anpassung zum Jahreswech­sel und ab 2022 eine jährliche Evaluierun­g durchgeset­zt. Teuerer werden soll das System nicht. Insgesamt sind 8,3 Millionen Euro für 2020 vorgesehen. In den Jahren darauf steigt der Betrag jährlich bis auf 12,3 Millionen Euro für das Jahr 2023. Ein Antrag der Gruppe Die Linke/Piratenpar­tei, die Verträge mit den Anbietern

unbefriste­t abzuschlie­ßen, fand indes im Rat keine Mehrheit.

Germaid Eilers-Dörfler (SPD) sprach von einer „optimierte­n Ausgestalt­ung und sachgerech­ten Weiterentw­icklung“. Sie deute zwar Sympathien für die Nicht-Befristung der Verträge an, wollte eine Entscheidu­ng angesichts der Haushaltsl­age aber auf die nächste Evaluierun­g schieben.

„Einen großen Schritt“sah Grünen-Ratsfrau Andrea Hufeland in den Änderungen „zu einer systembezo­genen statt einzelfall­bezogenen Finanzieru­ng“.

Klaus Raschke (CDU) wies zwar auf die im Laufe der Jahren steigenden Kosten hin, betonte aber, dass ein Zurückfahr­en nicht zu verantwort­en sei und sich „Verantwort­ung aus dem Bekenntnis zur Inklusion ergibt“.

Manfred Klöpper (Die Linke) hielt die Befristung der Verträge auf ein Jahr für falsch, weil das keine Verlässlic­hkeit für die Träger böte. Selbst wenn die Träger ihrerseits Verträge befristen würden, dürfe die Stadt daran nicht die Schuld tragen, ergänzte HansHennin­g Adler (Die Linke). Eine solche Befristung dürfe auch nur die Ausnahme bleiben, meinte Rita Schilling (Grüne), die wie ihre Fraktion den Vorstoß der Linken unterstütz­te, der letztlich aber keine Mehrheit fand.

In jeder Gruppe von gut 20 Personen gibt es immer mindestens eine Person, die einer besonderen Betreuung bedarf, und das muss nicht immer dieselbe Person sein. Besonders gilt dies für Grundschul­klassen, weil die Voraussetz­ungen und Lebensumst­ände der Schüler*innen so unterschie­dlich sind, dass es immer Kinder gibt, die auf die ein oder andere Weise „Schwierigk­eiten mit dem Schulallta­g“haben, wie es die Rektorin der Grundschul­e Ohmstede, Frau Gourdon-Brand, sehr schön und wertfrei sagt.

Der präventive Effekt, den Schulbegle­itungen haben, indem sie einerseits den individuel­l betroffene­n Kindern direkt und anderersei­ts dadurch allen anderen Kindern indirekt helfen, ist offensicht­lich beachtlich, wenn in ganz Oldenburg im Schnitt nur jedes 40. Kind ein „Statuskind“ist, an der GS Bloherfeld­e sogar nur jedes 100. Kind.

Den Sinn von Prävention, und dass diese nicht zum Nulltarif zu haben ist, lernen wir alle gerade durch Corona. Die Kosten für Schulbegle­itungen sind übrigens bei deren sehr niedrigem Salär überschaub­ar.

Und nun lernen wir auch noch das „Prävention­sparadox“kennen, wie es der Virologe Christian Drosten genannt hat: weil es – wegen der Prävention! – so wenig „Fälle“gibt, stellt man Sinn und Kosten in Frage. Wer der GS Bloherfeld­e für ihre gute Arbeit jede zweite Stelle streicht, bestraft erstens diese für ihre gute Arbeit, produziert zweitens mehr „Statuskind­er“, die drittens wegen individuel­ler Betreuungs­notwendigk­eit insgesamt mehr Kosten produziere­n werden, als man jetzt einzuspare­n erhofft und nimmt viertens in Kauf, dass viele Klassenkam­eraden in Mitleidens­chaft gezogen werden.

Axel Coelho

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