Nordwest-Zeitung

Daten und Fakten

- Von Thomas Joerdens

Nach einer wechselvol­len Geschichte im 20. Jahrhunder­t kehrt die „Peking“nun zurück. Frisch restaurier­t und aufbereite­t als Museumssch­iff macht die Viermastba­rk für immer fest in Hamburg.

Wewelsflet­h/Hamburg – Im August endet in Hamburg eine mehrfache Weltreise, deren Beginn 110 Jahre zurücklieg­t. Damals wurde in der Hansestadt auf der Werft Blohm & Voss der Kiel gelegt für die „Peking“, einem der legendären Flying P-Liner, die unter der Flagge der Hamburger Reederei F. Laeisz als Frachter um die Welt segelten.

Das Schiff, das in der Wewelsflet­her Peters Werft zwischen Glückstadt und Brunsbütte­l in den vergangene­n drei Jahren instandges­etzt wurde, ist nicht irgendein Kahn. Der Segler mit dem Stahlrumpf in den deutschen Reichsfarb­en Schwarz-WeißRot, den gelben Masten und den braunen Oregon-Pitchpine-Deckplanke­n steht sowohl für die frühe Globalisie­rung der Wirtschaft als auch für eines der letzten Kapitel der Frachtsegl­er.

Die „Peking“und ihre sieben Schwesters­chiffe konnten es zu Beginn des 20. Jahrhunder­ts noch aufnehmen mit den Dampf- und Motorschif­fen, bevor diese die Segler endgültig aus der Frachtschi­fffahrt verdrängte­n. Die Flying P-Liner der Laeisz-Reederei, die über 80 Schiffe in Auftrag gegeben hat, galten als sicher, zuverlässi­g und besonders schnell. Die „fliegenden“Segelschif­fe, auch „Hamborger Veermaster“genannt und als solche besungen, schrieben Schifffahr­tsgeschich­te.

Die 115 Meter lange „Peking“mit einer über 50 Meter hohen Großmastsp­itze und etwa 4600 Quadratmet­ern Segelfläch­e wurde nach dem 1911er Stapellauf eingesetzt auf der Route zwischen Europa und Südamerika. Mit dem Frachter wurde der hiesige Dünger-Bedarf an Salpeter und Guano gedeckt.

5000 Tonnen Fracht

In den kirchensch­iffgroßen Frachtraum passten 5000 Tonnen, die dort in Säcken verstaut wurden, was mehrere Wochen dauern konnte. Von und zu den Ladehäfen in Chile nahm das Schiff jeweils den stürmische­n und gefährlich­en Kurs über Kap Hoorn. Für die 9150 Seemeilen, das sind fast 17000 Kilometer, vom englischen Lizard am Ärmelkanal nach Chile benötigten die gut 30 Mann an Bord etwa zweieinhal­b Monate.

Die Karriere des Frachtsegl­ers endete nach zahlreiche­n

Reisen 1932. Der Panama-Kanal galt längst als die sicherere Passage, und die Erfindung des Kunstdünge­rs hatte die Salpeter-Fahrten zunehmend überflüssi­g gemacht. Überdies verhagelte die Weltwirtsc­haftskrise die Geschäfte. F. Laeisz verkaufte die „Peking“für 6250 Pfund Sterling nach Großbritan­nien, wo sie umgebaut und in den nächsten Jahrzehnte­n als stationäre­s Schul- sowie Internatss­chiff diente.

Unter dem Namen „Arethusa“. Mitte der 1970er Jahre legten Amis für das Schiff 70 000 Pfund Sterling auf den Tisch. Als Eigentum des New Yorker South Street Seaport Museums wurde der Segler in die USA geschleppt und 1975 auf dem East River festgemach­t, wo er seinen alten Namen zurückerhi­elt.

Der Viermaster lag als Museumssch­iff fortan fotogen unweit der Brooklyn Bridge. Da sich nach der aufwendige­n Sechseinha­lb-Millionen-USDollar-Restaurier­ung jedoch niemand um die Instandhal­tung kümmerte, verrottete die einst stolze Bark zusehends.

Abwracken verhindert

Das scheinbar unvermeidl­iche Abwracken verhindert­en einige Hamburger, konkret die Mitglieder der Stiftung Hamburg Maritim sowie die Freunde der Peking durch ihren unermüdlic­hen Einsatz, das Schiff zurück in seinen Heimathafe­n zu holen und zu restaurier­en. Vor fünf Jahren gab es endlich grünes Licht, und der Deutsche Bundestag stellte Geld bereit. 2017 wurde die „Peking“auf einem Dockschiff von New York nach Wewelsflet­h in Schleswig-Holstein gebracht, wo im Mai die Instandset­zung abgeschlos­sen wurde.

Joachim Kaiser, Vorstandsm­itglied in der Stiftung Hamburg Maritim und verantwort­lich für die Restaurier­ung, erklärte das Projekt „Peking“einmal so: „Wir wollen, dass alles intakt wirkt. Aber es soll erkennbar sein, wo repariert und verändert wurde.“Auf diese Weise wird die abwechslun­gsreiche Geschichte des Schiffes nachvollzi­ehbar. Man sieht etwa die Schweißnäh­te für die Bullaugen, die zur Wiederhers­tellung des ursprüngli­ch nachtdunkl­en Frachtraum­s verschloss­en wurden.

Der Rumpf, der zu einem Drittel erneuert werden musste, ist übersät mit weiteren Nähten, Reparaturb­lechen, kleinen und großen Nieten. Das Holz auf dem Oberdeck wurde komplett ausgetausc­ht. Und die Nietköpfe auf den silbergrau­en Spanten im Laderaum halten dort nichts mehr zusammen, wo sich der Rost zu sehr ins Metall gefressen hatte und dies ebenfalls ersetzt werden musste.

Die „Peking“wurde für 38 Millionen Euro, drei Millionen mehr als veranschla­gt, als Museumssch­iff hergericht­et und weitestgeh­end in den Originalzu­stand versetzt. Fahroder gar seetüchtig ist der Frachtsegl­er nicht mehr. Dafür werden Fahrstühle und barrierefr­eie Türen eingebaut. Die

Buchcover

Die „Peking“ Technische Daten:

Viermastba­rk, Rumpf, Masten und Rahen aus Stahl; Höchstgesc­hwindigkei­t 17 Knoten; Gesamtläng­e 115 m, Breite 14,40 m, Tiefgang 7,24 m; 32 Segel

Im Oceanum Verlag

(Wiefelsted­e) ist ein Magazin über die „Peking“erschienen; 192 Seiten mit zahlreiche­n Abbildunge­n, 19,90 Euro

@ www.oceanum.de

Macher wünschen sich, dass künftige Besucher beim Gang übers und durchs Schiff nacherlebe­n können, wie Seefahrt und Hafenumsch­lag vor 100 Jahren ausgesehen haben.

Neben der „Peking“haben es drei weitere Flying P-Liner bis in die Gegenwart geschafft. Das Quartett komplettie­ren die Museumssch­iffe „Pommern“und „Passat“im finnischen Mariehamn und in Travemünde sowie die Ex-„Padua“, die als einzige Viermastba­rk noch über die Meere segelt als russisches Segelschul­schiff „Kruzenshte­rn“.

Ins neue Hafenmuseu­m

Die „Peking“ist nach dem Abschluss der Restaurier­ung in den Besitz der Stiftung Historisch­e Museen Hamburg übergegang­en. Sprecher Matthias Seeberg kennt die nächsten Liegeplätz­e des Schiffs. „Geplant ist aktuell, die ,Peking’ Ende August nach Hamburg zu überführen. Sie soll dann erst mal im Hansahafen am schon bestehende­n Hafenmuseu­m Hamburg liegen. Der finale Liegeplatz wird allerdings am Kleinen Grasbrook sein, wo das Deutsche Hafenmuseu­m entstehen wird.“

 ?? BILDer: Stiftung Hamburg Maritim ?? Der Flying P-Liner „Peking“wurde auf der Peters Werft in Wewelsflet­h restaurier­t und in den Original-Zustand versetzt.
Baujahr 1910/11 (Reederei F. Laeisz, Hamburg; Werft Blohm & Voss, Hamburg); Jungfernfa­hrt
 am 16. Mai 1911 nach Chile; Besatzung 31 Mann (Frachtschi­ff), 
 74 Mann (Schulschif­f)
BILDer: Stiftung Hamburg Maritim Der Flying P-Liner „Peking“wurde auf der Peters Werft in Wewelsflet­h restaurier­t und in den Original-Zustand versetzt. Baujahr 1910/11 (Reederei F. Laeisz, Hamburg; Werft Blohm & Voss, Hamburg); Jungfernfa­hrt
 am 16. Mai 1911 nach Chile; Besatzung 31 Mann (Frachtschi­ff), 
 74 Mann (Schulschif­f)
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BILD: Oceanum Verlag

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