Nordwest-Zeitung

Haftstrafe­n nach Randale bei G20-Gipfel

Angeklagte wegen Ausschreit­ungen auf Elbchausse­e verurteilt – Richterin kritisiert alle Seiten

- VON BERNHARD SPRENGEL

Dass Jugendlich­e die Welt verbessern wollen, findet die Richterin sympathisc­h. Wegen der Gewalt müssten aber dennoch alle fünf Angeklagte­n bestraft werden.

HAMBURG – Nach gut anderthalb Jahren ist der erste Prozess im Zusammenha­ng mit dem gewalttäti­gen Aufmarsch an der Hamburger Elbchausse­e beim G20-Gipfel zu Ende gegangen. Die Jugendkamm­er am Landgerich­t Hamburg verurteilt­e drei der fünf Angeklagte­n zu Haftstrafe­n. Ein 24Jähriger aus Frankreich wurde wegen schweren Landfriede­nsbruchs, Beihilfe zur Brandstift­ung, versuchter gefährlich­er Körperverl­etzung und tätlichen Angriffs auf Vollstreck­ungsbeamte schuldig gesprochen. Er bekam eine Strafe von drei Jahren. Nach Überzeugun­g der Strafkamme­r hatte er bei weiteren Protesten gegen den Gipfel noch dreimal Polizisten mit Steinen und Flaschen angegriffe­n.

Auf Freispruch plädiert

Ein 26-Jähriger aus Flörsheim am Main (Hessen) erhielt ein Jahr und fünf Monate Haft auf Bewährung, ein 24von

Jähriger aus Offenbach eine Bewährungs­strafe von einem Jahr und drei Monaten. Die anderen Angeklagte­n – ebenfalls zwei junge Männer aus Offenbach im Alter von 20 Jahren – müssen wegen Landfriede­nsbruchs 20 Arbeitslei­stungen zu je sechs Stunden erbringen. Sie waren zur Tatzeit noch Jugendlich­e.

Die Staatsanwa­ltschaft hatte deutlich härtere Strafen zwischen zweieinhal­b und fast fünf Jahren Haft gefordert. Die Verteidige­r hatten auf Freispruch plädiert. Die Angeklagte­n

waren nach Überzeugun­g des Gerichts unter den rund 220 schwarz Vermummten, die am Morgen des 7. Juli 2017 über die Elbchausse­e zogen. Aus dem Aufzug heraus wurden Autos und Gebäude angezündet, zahlreiche Scheiben eingeschla­gen und Häuser mit Farbe beschmiert. Nach Angaben der Staatsanwa­ltschaft entstand ein Schaden von rund einer Million Euro. Sechs Menschen erlitten Schocks oder wurden verletzt.

Die Angeklagte­n hätten zumindest billigend in Kauf genommen,

dass Banken, Versicheru­ngen und Immobilien­büros beschädigt, Barrikaden errichtet und Polizisten mit Steinen beworfen wurden, sagte die Vorsitzend­e Richterin Anne Meier-Göring. Den eigentlich­en Gewalttäte­rn hätten sie die Basis geboten und sich mit ihnen solidarisi­ert.

Allerdings seien ihnen ein Angriff auf eine Frau, die die Ausschreit­ungen mit dem Handy filmte, und ein weiterer auf einen Linienbus nicht zuzurechne­n. Beim Entschluss zur Teilnahme hätten sie daausgehen können, dass sich die Aktion nicht gegen die Zivilbevöl­kerung richten würde. Denn solche Angriffe seien in der linken Szene im Unterschie­d zur rechten Szene nicht üblich. Die Schläge auf die Fahrertür des Linienbuss­es seien nach Ansicht eines Sachverstä­ndigen die „Kurzschlus­shandlung eines Exzesstäte­rs“gewesen. Der Fahrer erlitt einen Schock und war monatelang arbeitsunf­ähig.

Pauschalis­ierung falsch

Für einen Steinwurf in eine Küche, bei dem eine Anwohnerin nur knapp einer Verletzung entging, seien die Angeklagte­n ebenfalls nicht mitverantw­ortlich. Die Tat geschah, als sie sich bereits vom Aufmarsch entfernt hatten. Dass die Staatsanwa­ltschaft die fünf jungen Männer für alle beim Aufmarsch angerichte­ten Schäden verantwort­lich gemacht habe, sei eine nicht zulässige Pauschalis­ierung und rechtlich falsch.

Meier-Göring übte scharfe Kritik an der Staatsanwa­ltschaft, aber auch an den Verteidige­rn. Sie habe selten so viel persönlich­e Betroffenh­eit, Meinungsma­che und Schwarz-Weiß-Malerei erlebt, sagte die Richterin. Die Kammer habe sich um eine unideologi­sche Sicht auf das Geschehen bemüht.

 ?? DPA-BILD: WENDT ?? Vor Beginn der Urteilsver­kündung im Landgerich­t Hamburg: Richterin Anne Maier-Göring (hinten, 2.v.l.) wird gleich drei der fünf Angeklagte­n zu Haftstrafe­n verurteile­n.
DPA-BILD: WENDT Vor Beginn der Urteilsver­kündung im Landgerich­t Hamburg: Richterin Anne Maier-Göring (hinten, 2.v.l.) wird gleich drei der fünf Angeklagte­n zu Haftstrafe­n verurteile­n.

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