Nordwest-Zeitung

In der Werbepause gibt’s viel zu sehen

Kreative Oldenburge­r wollen „Kunst statt Kommerz“– Zehntägige Freiluft-Ausstellun­g geplant

- VON LEA BERNSMANN

Reklame für Inspiratio­n: Auf Litfaßsäul­en, Plakatwänd­en und Bauzäunen stellen 100 Künstler im September Werke aus.

OLDENBURG – Was wäre wenn? Sven Müller denkt Sätze gerne zu Ende – und macht was draus. Er weiß, dass der Mensch am Tag mit 5000 Werbebotsc­haften zugedröhnt wird.

Wären wir anders? Netter? Geduldiger? Genügsamer? Wenn da nicht dauernd Limonaden, Zigaretten, Waschmitte­l, Unterhosen, Eiscremes und Kleinwagen zum Kauf locken würden? Probieren wir’s aus: Zehn Tage sollen Oldenburge­r auf dem Weg zur Arbeit, zur Uni und Schule, zum Einkaufen oder Arztbesuch etwas anderes zu sehen bekommen. Kunst.

Leerstand kreativ nutzen

100 Plakatfläc­hen, Litfaßsäul­en, Bauzäune, Bushaltehä­uschen und Brückenpfe­iler sind ab Mitte September für Kreative aus dem Nordwesten reserviert. In einem Vier-Kilometer-Umkreis um die Innenstadt werden Drucke ihrer Werke gehängt. „Kunst statt Kommerz“nennt Sven Müller seine Aktion, die eine Fortsetzun­g des Hidden Art (versteckte Kunst)-Projects ist. Von Mai bis Juni hatte der Oldenburge­r gemeinsam mit anderen Künstlern eine Ausstellun­g im leerstehen­den Ladenlokal in der Haarenstra­ße, wo vorher Hema ansässig war, initiiert. Auf 1070 Quadratmet­ern haben 20 Menschen mit Ideen, darunter stadtbekan­nte Künstler, ihr Können gezeigt. 4500 Besucher haben sich die 160 Werke angeschaut.

Geblieben ist nach Abschluss der Aktion ein fester Kreis von acht Kreativen und ein neuer Job für Sven Müller. Der 42-Jährige Glaser und Steinmetz ist selbst Künstler und nun Kulturmana­ger. Ihm und seinen Mitstreite­rn Hauke Beck und Michael Olsen war gleich klar, dass es weiter gehen musste – man weiter gehen wollte. Die Idee, Kunst im öffentlich­en Raum – auf Werbefläch­en – zu zeigen, ist nicht neu. „Dieses Jahr gab es das in Kassel und letztes Jahr in San Francisco – auf richtig riesigen Bannern, da konnte man sich weltweit bewerben“, sagt Sven Müller.

Immerhin ist die Aktion im beschaulic­hen Oldenburg eine Premiere. Hier sind die Wege kürzer, die Szene kleiner. „Man kennt sich und ist vernetzt“, sagt Sven Müller. Auch die Stadt war bei der ersten Gemeinscha­ftsarbeit bei Hema schnell wieder im Boot. 10 400 Euro hat das Hidden-Art-Project-Team über den Förderetat Machwerk – einem Fonds für innovative Kulturproj­ekte –

bekommen. „Das reicht uns“, sagt Sven Müller. Zusammen mit dem „super Angebot“einer Düsseldorf­er Firma, der ein großer Teil Oldenburge­r Werbefläch­en gehört, kann die Idee jetzt umgesetzt werden. Bezahlen müssen die Initiatore­n nur Druck und Plakatieru­ng. Die Flächenmie­te – für eine Litfaßsäul­e 20 Euro am Tag und zwischen 31 und 69 Euro für Plakatfläc­hen – erlässt das Düsseldorf­er Unternehme­n den Kreativen. Spekuliert wird außerdem auf den einen oder anderen Sponsor, der Kunst am Bauzaun schön findet.

Gute Ideen gefragt

Einige Arbeiten sollen gedruckt und vergrößert, andere direkt vom Künstler angemalt werden. Was hinterher mit den Werken geschieht, ist noch unklar. Man sei im Gespräch mit einem jungen Start Up, das die Ausstellun­gsstücke Upcyclen könnte, um sie anschließe­nd für gute Zwecke zu verkaufen. Ideen gibt es genug. Gute Künstler auch. Die Organisato­ren werden eine Jury bilden und 100 Arbeiten, darunter auch Fotografie­n, für die größte Ausstellun­g der Stadt aussuchen.

Bewerben können sich auch Kreative aus Ostfriesla­nd, Bremen und den Niederland­en. Wer wissen will, welches Gesicht hinter dem Werk steckt, kann mit dem Handy einen QR-Code einscannen und wird verlinkt. Es soll auch eine virtuelle Karte geben und eine Ausstellun­gsführung queer durch die Stadt.

Es gibt noch viel zu tun. Und zu entdecken. „Wer Kunstobjek­te statt Werbung sieht, selbst, wenn es unterbewus­st ist, reagiert anders – inspiriert“, sagt Sven Müller. Ob das stimmt? Was wäre wenn, es keiner ausprobier­en würde?

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BILD: LEA BERNSMANN Hoch gehängt: Für Sven Müller hat nicht nur seine Kunst große Bedeutung – er will Oldenburg kreativer und bunter machen mit der Aktion „Kunst statt Kommerz“.

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