Stehroller-Revolution am Ende?
Beim Segway „Personal Transporter“zieht der chinesische Mutterkonzern den Stecker
Es sollte das Fortbewegungsmittel der Zukunft werden, doch der große Plan scheitert offenbar.
BEDFORD – Selten war der Hype um ein neues Produkt so groß: Der Segway sollte den Personentransport revolutionieren und die Stadt der Zukunft prägen. Seine Innovation werde Autos so überflüssig machen, wie diese einst die Pferdekutschen, versprach Erfinder Dean Kamen. Doch die Hoffnung wurde nie erfüllt – im Gegenteil. Die vermeintlich bahnbrechende Sensation entwickelte über die Jahre zwar einen gewissen Kultcharakter, entpuppte sich letztlich aber als großer Flop.
Nun hat der einst als futuristisch geltende Stehroller ausgedient. Am 15. Juli beendet der chinesische Mutterkonzern Segway-Ninebot die Produktion des Segway Personal Transporters.
„Wir haben die schwierige
Entscheidung getroffen, den Segway PT einzustellen“, erklärt Segway-Managerin Judy Cai. Die Corona-Pandemie habe Verkauf und Fertigung zuletzt zusätzlich belastet, doch das sei nicht der Hauptgrund für den Schritt, räumt sie ein. „In den vergangenen Jahren haben wir eine Übersättigung des Marktes gesehen.“
Klartext: Es gibt keine Nachfrage mehr.
Das Fortbewegungsmittel, das Benutzer durch Gewichtsverlagerung im Stehen steuern, mache nur noch 1,5 Prozent des Umsatzes aus. Der Fokus des Unternehmens liegt auf anderen Produkten wie EScootern, Quads oder Robotern.
Dass es einmal so kommen würde, hätte sich SegwayGründer Dean Kamen bei der Präsentation seiner Weltneuheit im Dezember 2001 in New York wohl nicht träumen lassen. Der US-Erfinder hatte damals bereits etliche andere spektakuläre Innovationen auf seinem Konto – etwa ein Dialyse-Gerät im Aktentaschenformat, eine tragbare Insulin-Pumpe und einen Rollstuhl, der Treppen hinauf und herunter klettern kann. Über ein Jahr lang fachte er die
Spannung auf sein neuestes Projekt an. Es wurde spekuliert, was das Zeug hält – vom wasserstoffbetriebenen Luftkissenboot bis hin zur Supertoilette: Nichts schien unmöglich.
Auch als das Rätselraten dann endlich ein Ende hatte und das unter Codenamen wie „Ginger“oder „IT“entwickelte Produkt endlich vorgestellt wurde, ebbte die Euphorie zunächst nicht ab. Ähnlich wie Tesla-Chef Elon Musk heutzutage nutzte Kamen die Medien clever, um die Werbetrommel zu rühren. So klapperte er mit seiner – damals noch „Segway
Human Transporter“genannten – Errungenschaft Talkshows und Presse-Events ab. Auch Tech-Gurus wie AppleMitgründer Steve Jobs und Amazon-Chef Jeff Bezos, die vorab Einblicke erhalten hatten, trugen einen Teil zum Hype bei. Bei der Versteigerung der ersten Segways im Februar 2002 wurden mehr als 100 000 Dollar geboten.
Aber die Erfindung schaffte es nie, bei der breiten Masse Anklang zu finden. Letztlich wurden keine Millionen, sondern nur rund 140 000 Segways verkauft. Wenige waren bereit, Tausende Dollar oder Euro für ein relativ schwerfälliges und unelegantes Vehikel zu berappen, mit dem man nicht schneller vorankommt als mit dem Fahrrad.
So fristet der Segway bis heute ein Nischendasein als skurriles Fortbewegungsmittel für bürgernahe Polizisten, Sicherheitsdienste in Einkaufszentren oder gehfaule Touristen. Zudem gibt es einige Promi-Fans – wie AppleMitgründer Steve Wozniak.