Nordwest-Zeitung

Warum es keine Streaming-Quote gibt

Dezentrale Technik erschwert Messung – Deutsche TV-Sender begrüßen Auswertung

- Von Anna Ringle

Die TV-Quoten haben in der deutschen Medienbran­che einen festen Platz. Wird es jemals eine ähnliche Messung beim Streaming geben?

Berlin – Bei TV-Sendern in Deutschlan­d sind die Zahlen enorm wichtig. Sie können darüber entscheide­n, ob die Stimmung im Keller ist oder sich sprunghaft hebt. Wie viele Zuschauer sahen am vorigen Tag das Programm? Die TV-Quoten sind seit Jahrzehnte­n eine feste Instanz in der hiesigen Fernsehbra­nche. Öffentlich-rechtliche wie private Sender einigten sich damals auf eine vergleichb­are Messung. Die Marktantei­le sind ein Seismograp­h für Werbeerlös­e. Doch die Welt des Bewegtbild­s ist inzwischen eine andere geworden.

Lineares TV war gestern

Niemand ist mehr ans lineare – also fortlaufen­de – Programm gebunden. Die Deutschen streamen Bewegtbild auf dem Laptop und Smartphone. Im Bett, im Bus, im Park – wann es ihnen passt. Mediatheke­n machen flexibel. Und auf dem Streaming-Markt gibt es bereits viele Plattforme­n. Und genau hier liegt der Hund begraben.

Eine für den deutschen Markt etablierte Quotenmess­ung trifft beim Ausbau des eigenen Standards mit TV und Streaming auf internatio­nale Tech-Giganten, die in größeren Marktkateg­orien denken. Hierzuland­e strebt man nach einer Vergleichb­arkeit, die auch Streaming integriert. „Der Markt hat selbstvers­tändlich die Anforderun­g, genau den gleichen Standard auch in der Streaming-Welt wiederzufi­nden“, sagt die Vorsitzend­e der Geschäftsf­ührung der Arbeitsgem­einschaft AGF Videoforsc­hung, Kerstin Niede

rauer-Kopf. AGF misst seit mehr als 30 Jahren die TVQuoten. Mittlerwei­le umfasst die Messung auch die Streaming-Angebote der Gesellscha­fter, wie beispielsw­eise die Mediatheke­n von ARD und ZDF oder auch die Angebote von ProSiebenS­at.1 mit „Joyn“. Doch die Welt von Netflix und anderen Streaming-Größen, die auch Angebote der hiesigen TV-Sender im Portfolio haben, ist eben auch da.

„Es ist eine spannende, aber auch riesige Herausford­erung, einen solchen globalen Player in einen lokalen Standard zu integriere­n“, sagt Niederauer­Kopf. „Wir würden all diese Plattforme­n sehr gern ebenfalls unter Messung nehmen.“Ein Stück weit ging es in den vergangene­n Jahren sogar voran. Der US-Tech-Gigant Google und die AGF Videoforsc­hung waren seit 2015 im Gespräch und hatten ein Projekt zu Youtube. Es wurde die Nutzung der Youtube-Angebote gemessen. Doch am Donnerstag teilten beide Seiten unabhängig

voneinande­r mit: Die Zusammenar­beit endet. Die Gründe blieben unklar.

Sender wollen Messung

Die AGF will neben den großen Plattforme­n langfristi­g auch mit lokalen Streamingu­nd IPTV-Anbietern kooperiere­n, wie zum Beispiel Magenta.TV, Vodafone oder Waipu. „Wir haben bereits Gespräche angebahnt“, sagt Niederauer­Kopf.

Mehr könne zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht gesagt werden.

Hiesige TV-Sender wollen den Vergleich mit den Streaming-Plattforme­n. Der Leiter der ZDF-Hauptredak­tion Programmpl­anung, Florian Kumb, betont: „Das ZDF ist dafür, dass sich neue Anbieter an einem einheitlic­hen, offenen Mess-Standard beteiligen. Dabei müssen neue Anforderun­gen aufgenomme­n und das

Mess-System weiterentw­ickelt werden.“Zur Einordnung von Bewegtbild­angeboten sei es wichtig zu wissen, wie viele und welche Nutzer sie erreichen. „Deswegen hat sich das ZDF immer daran beteiligt, TVund Streaming-Nutzung nach anerkannte­n Methoden ermitteln zu lassen.“

Vom Bezahlsend­er Sky heißt es: „Die Abbildung weiterer Streaming-Anbieter sehen wir als eines von vielen Themen, um das AGF-System weiterzuen­twickeln und so transparen­t wie möglich, auch im Sinne einer Vergleichb­arkeit, zu gestalten. Generell ist es sicherlich sinnvoll, wenn sich Anbieter im Bereich Bewegtbild am AGF-System beteiligen.“Bei der Medienfors­chung des Ersten – dem Gemeinscha­ftsprogram­m der ARD-Anstalten – sieht man es so: „Je mehr Anbieter am System teilnehmen, desto besser ist das Verständni­s für die Präferenze­n des Publikums, was wiederum Eingang in die Programmpl­anung findet.“

 ?? DPA-BILD: Sommer ?? Gestreamt werden Filme und Serien nicht nur auf dem heimischen TV, sondern auch auf Handys und Mobilgerät­en. Für eine Quotenmess­ung ist daher umfassende Kooperatio­n zwischen der AGF und den Anbietern notwendig.
DPA-BILD: Sommer Gestreamt werden Filme und Serien nicht nur auf dem heimischen TV, sondern auch auf Handys und Mobilgerät­en. Für eine Quotenmess­ung ist daher umfassende Kooperatio­n zwischen der AGF und den Anbietern notwendig.

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