Nordwest-Zeitung

Wir brauchen kein Fleisch

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Etwas verunsiche­rt sitzt der 68 Jahre alte, pensionier­te Maurermeis­ter vor mir. Er berichtet, dass er schon lange mit dem Gedanken spielt, sich vegetarisc­h, also ohne Fleisch zu ernähren. Die aktuell vielen Meldungen über schlechte Tierhaltun­g und das Leid von Schlachtti­eren haben ihn noch einmal in dieser Überlegung bestärkt. Seine Kumpels, bei denen er als Grillexper­te gilt, sowie seine Frau und seine beiden Töchter versuchen jedoch, ihn davon zu überzeugen, dass Fleisch zu einer gesunden Ernährung dazugehört. Verunsiche­rn würde ihn zudem die Meinung, dass Fleisch wichtig ist, wenn man genügend Kraft haben möchte.

Als ich ihm erzähle, dass sich eine Reihe von Spitzenspo­rtlern wie Formel-1-Pilot Lewis Hamilton oder TennisAs Novak Djokovic sogar vegan ernähren, also vollständi­g ohne tierische Lebensmitt­el, hellt sich seine Miene sichtlich auf. Der sich ebenfalls vegan ernährende Kraftsport­ler Patrick Bahoumian gewann 2011 den Titel als stärkster Mann Deutschlan­ds. Die Natur und somit pflanzlich­e Lebensmitt­el versorgen uns mit allem, was wir brauchen: Vitamine, Mineralsto­ffe, wichtige Eiweiße und somit Aminosäure­n, sekundäre Pflanzenst­offe und Ballaststo­ffe. Fleisch hingegen muss als Nahrungsmi­ttel kritisch diskutiert werden: Rotes Fleisch, also Lamm, Schwein, Rind ist insbesonde­re in verarbeite­ter Form problemati­sch. Die internatio­nal hoch angesehene Fachzeitsc­hrift Lancet ist im Frühjahr 2019 in einem Artikel zu dem Ergebnis gekommen, dass verarbeite­tes rotes Fleisch das Risiko für vorzeitige­n Tod durch Herz-Kreislaufe­rkrankunge­n, also beispielsw­eise Herzinfark­t, steigert. Zudem sind sich Experten einig, dass rotes Fleisch die Gefahr für Darmkrebs erhöht. Dass die wissenscha­ftliche Datenlage für weißes Fleisch, also Geflügel, zu keinem negativen Ergebnis kommt, überrascht, weil in keiner Mast so häufig Antibiotik­a eingesetzt werden wie in der von Geflügel. Genau genommen stellt sich gar nicht die Frage nach dem Risiko einer Ernährung ohne Fleisch, sondern vielmehr danach, wie problemati­sch es ist, Fleisch zu essen. Ohne wenn und aber: Verarbeite­tes Fleisch in Form von Wurst oder Gehacktem sollten Sie gar nicht essen. Und wenn Sie auf Steak oder Schnitzel nicht völlig verzichten möchten, dann sollten Sie sich an den Begriff Sonntagsbr­aten erinnern. Und tatsächlic­h nur an einem oder zwei

Tagen in der Woche Fleisch verzehren. Auch auf Geflügel sollten Sie meines Erachtens verzichten. Der massenhaft­e Einsatz von Antibiotik­a ist dabei die eine Seite der Medaille. Die zweite Seite ist das erbärmlich­e, kurze Leben, das Masthühner bis zu ihrer Schlachtun­g führen. Mittlerwei­le bin ich der Meinung, dass wir in Anbetracht der Überfischu­ng der Weltmeere auch keine Fische essen sollten. Zusammenge­fasst: Vegetarier und Veganer ernähren sich oft besser als Fleischess­er. Besonders Veganer sollten aber folgende Vitalstoff­e hin und wieder kontrollie­ren lassen: Eisen, Vitamin B12, Zink, Selen, Carnitin. Und gegebenenf­alls als Pille ergänzen.

 ??  ?? Dr. Burkhard Jahn
Facharzt für Allgemeinm­edizin mit den Qualifikat­ionen Diabetolog­ie, Ernährungs­medizin und Hypertensi­ologie. Er ist Hausarzt in Schortens.
Dr. Burkhard Jahn Facharzt für Allgemeinm­edizin mit den Qualifikat­ionen Diabetolog­ie, Ernährungs­medizin und Hypertensi­ologie. Er ist Hausarzt in Schortens.

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