Nordwest-Zeitung

Viele positive Rückmeldun­gen

Anna Weber möchte Jugendlich­en mehr Selbstsich­erheit geben

- VON HEIDI SCHARVOGEL

Als „Profi für Vielfalt“spricht die Oldenburge­rin über ihre psychische Erkrankung. Das gibt nicht nur ihr Kraft.

OLDENBURG – Sehr viel positives Feedback bekommt Anna Weber, wenn sie als „Profi für Vielfalt“unterwegs ist. Die Profis für Vielfalt sind Menschen mit unterschie­dlichen Besonderhe­iten sowie deren Angehörige, die anderen von ihren Erfahrunge­n berichten, Tipps für Behördengä­nge geben und auf vielfältig­e Weise unterstütz­en. Es gibt zum Beispiel Profis für Gehörlosig­keit und natürliche Gebärdensp­rache, für Barrierefr­eiheit, für ein selbstbest­immtes Leben mit Rollstuhl oder für das Leben als geflüchtet­e Frau in Deutschlan­d. Organisier­t wird das Projekt von der Fachstelle für Bürgerscha­ftliches Engagement der Stadt Oldenburg.

Mit dem Herzen dabei

„Ich sage gern: Ich bin hauptberuf­lich psychisch krank. Es fühlt sich nämlich fast so an, weil Arztbesuch­e und Therapien so viel Zeit in Anspruch nehmen wie ein Job“, sagt Anna Weber. Und weil sie Öffentlich­keitsarbei­t leistet. „Da bin ich mit dem Herzen dabei. Ich glaube, dass ich was verändern kann.“Viele dankbare Rückmeldun­gen lassen darauf schließen. „Bei einem Erzähl-Café haben wir Profis als Referenten gesprochen. Danach hat sich eine ältere Dame bei mir bedankt und gesagt, dass sie es nach unserer Veranstalt­ung endlich geschafft hat, über ihre Schwester zu sprechen“, berichtet Anna Weber.

Denn viele trauen sich nicht, über psychische Erkrankung­en zu reden. „Dabei ist fragen immer besser als schweigen. Wenn ich erzähle, ich krank bin, ist es völlig okay, wenn man fragt, was das für mich bedeutet. Wenn jemand sagt, dass er studiert, will man doch auch wissen, wie es so läuft.“

Leider fragten auch Ärzte oft nicht nach. „Einmal habe ich es erlebt, dass ein Arzt im Krankenhau­s sagte: Ich sehe, Sie sind psychisch krank. Gibt es da etwas das wir beachten müssen? Das war für mich so wichtig. Ich fühlte mich gleich viel besser aufgehoben“, erzählt Anna Weber.

Damit mehr Ärzte, Lehrer und andere Berufsgrup­pen, die Kontakt zu vielen Menschen haben, die richtigen Worte finden, engagiert sie sich bei den Profis. „Da wir ehrenamtli­ch tätig sind, dürfen sich unsere Angebote leider nur an öffentlich­e und gemeinnütz­ige Institutio­nen und Gruppen richten – aber davon gibt es mehr als man im zuerst denkt“, fügt sie hinzu.

Auch Schulklass­en erreicht die junge Oldenburge­rin und zwar über eine „sehr geringfügi­ge“Beschäftig­ung bei Zentegra. „Ich bin erwerbsunf­ähig, weil ich eine posttrauma­tische Belastungs­störung habe. Das hat zur Folge, dass ich mich sehr schlecht konzentrie­ren kann. Aber die Öffentlich­keitsarbei­t gibt mir Kraft.“

Tolle Arbeit mit Schülern

Im Projekt „Verrückt? Na und!“des Vereins „Irrsinnig menschlich“in Kooperatio­n mit Zentegra gestalten immer ein fachlicher und ein persönlich­er Experte einen Schultag mit einer Klasse. Zuerst gucken die beiden, wie die Schülerinn­en und Schüler zu Begriffen etwa mit Bezug zu psychische­n Erkrankung­en stehen. Anschließe­nd geben sie fachliche Informatio­nen weiter und zuletzt erzählt der persönlich­e Experte von sich. „Bis dahin bin ich für die Jugendlich­en einfach eine Mitarbeite­dass

rin. Wenn sie erfahren, dass ich psychisch krank bin, Depression­en habe und deshalb manchmal tagelang kaum ein Wort sage, kommen meist Reaktionen wie: Echt?! Das sieht man gar nicht!“, berichtet Anna Weber. „Während ich erzähle, sind die Schüler immer mucksmäusc­henstill und voll konzentrie­rt. Danach sagen viele: Danke, dass du dich uns anvertraut hast.“

Die Arbeit mit den Klassen bedeutet ihr viel. „Es ist einfach toll!“, strahlt sie. „Ich möchte den Jugendlich­en auch mehr Selbstsich­erheit geben. Ich habe mich als Schülerin nie getraut zu sagen, dass ich etwas nicht erledigen kann, weil es mir nicht gut geht. Ich habe immer gehofft, dass es jemand merkt“, erzählt Anna Weber. Jetzt vermittelt sie Jugendlich­en, dass sie das Recht haben, zu sagen, dass etwas nicht in Ordnung ist.

@ www.oldenburg.de/profis-fuervielfa­lt

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BILD: PRIVAT Mit Öffentlich­keitsarbei­t setzt sich Anna Weber dafür ein, dass Menschen sich trauen zu fragen und sich so wohler fühlen.

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