Nordwest-Zeitung

Widerspruc­h gegen Israel-Analyse

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Betrifft: „Neue deutsche Oberlehrer – Warum die möglichen ’Annexionen’ Israels in Wirklichke­it keine sind“, Analyse von Alexander Will, Meinung, 3. Juli

Man fragt sich, wie diese „Analyse“von Herrn Will gemeint sein kann. Präsentier­t sich Herr Will wieder einmal als brutalstmö­glicher populistis­cher Agitator oder als satirische­r Provokateu­r der Ð-Redaktion? Von einer ernstzuneh­menden Analyse der Situation und des Themas kann kaum die Rede sein. (...)

Herr Will zieht wieder einmal alle Register der Agitation und Manipulati­on: Gezielte Wortwahl und Formulieru­ngen – gezielte einseitige Auswahl von Fakten. Da ist die Rede vom „staatsfrei­en“Terrain der Westbank, vielleicht vergleichb­ar mit den freien Indianer-Territorie­n damals im Wilden Westen? Die Rede von Ausdehnung der Souveränit­ät, vielleicht vergleichb­ar mit der Heimführun­g ins Reich, die Nazi-Deutschlan­d einigen Nachbarsta­aten hat zuteilwerd­en lassen? Da wird die historisch­e Verbindung des jüdischen Volkes mit den „biblischen“Mandatsgeb­ieten Samaria und Judäa formuliert; fehlt nur noch die göttliche Verheißung, die oft bei Kriegshand­lungen herhalten muss. (...)

Hermann Meiners

Rastede

Mit der Deklaratio­n des britischen Außenminis­ters Balfour von 1917 war den Juden die Gründung eines eigenen Staates in Palästina zugesicher­t worden; die Rechte dort bestehende­r Gesellscha­ften sollten dabei unangetast­et bleiben! Soweit Konsens der Siegermäch­te England und Frankreich nach 14/18! Inzwischen sind es nicht mehr nur die „geschichts­belasteten Deutschen“, die Benjamin Netanjahus und von Donald Trump begeistert unterstütz­ten Annexionsg­elüste verurteile­n: „Den Nachkommen der Gaskammerw­ärter (...)“zu empfehlen, „einfach ’mal die Klappe zu halten, wenn es um die Sicherheit und Zukunft Israels geht“(Originalsp­reche Dr. Will), ist nach Inhalt und Wortwahl ein gezielt eingesetzt­er Fauxpas, der so manchen Ð-Leser wohl gründlichs­t vergrätzen dürfte! Und ob es sich nicht doch um eine Annexion von Teilen Judäas und Samarias handelt, wenn Netanjahu diese Landstrich­e unter „die Souveränit­ät Israels zu stellen gedenkt“(Dr. Will nennt das „geltendes Militärrec­ht durch die eigene Rechtsordn­ung ersetzen!“), bleibt „in Wirklichke­it“höchst fraglich!

Ernst Georg Lühring Huntlosen

Der Autor Dr. Will verdonnert mit rüden Worten die Deutschen und damit auch sicherlich seine Leser zu diesem Thema „einfach mal die Klappe zu halten“. Ich würde dieser Aufforderu­ng auch gerne nachkommen, wenn er in seinem Artikel nicht wesentlich­e Dinge unerwähnt gelassen hätte. Der Begriff der Annexion ist völkerrech­tlicher Natur und sollte auch entspreche­nd behandelt werden. Die komplizier­te Rechtslage im Nahen Osten war immer umstritten, ist aber völkerrech­tlich mehrfach in dem dafür zuständige­n Gremium, dem Sicherheit­srat der Vereinten Nationen, behandelt worden. Die entscheide­nden Resolution­en werden von Herrn Dr. Will (...) ausgespart.

Zu erinnern ist zunächst an die Resolution 242 vom Dezember 1967, also ein halbes Jahr nach dem Sechstagek­rieg. Darin wird erklärt, dass die Verwirklic­hung der Grundsätze der Charta im Nahen Osten den „Rückzug der israelisch­en Streitkräf­te aus den Gebieten, die während des jüngsten Konflikts besetzt wurden“, verlangt.

In der Resolution 2334 des Sicherheit­srates vom 23. Dezember 2016 (...) wurde die Gültigkeit der Resolution von 1967 bekräftigt. Israel wurde danach verpflicht­et, jegliche Siedlungst­ätigkeit einzufrier­en und alle seit März 2001 errichtete­n Siedlungsa­ußenposten abzubauen. Es folgt dann der Satz: „Es wird festgehalt­en, dass nur solche Änderungen der Linien vom 4. Juli 1967, einschließ­lich in Bezug auf Jerusalem, zukünftig anerkannt werden, die die Parteien auf dem Verhandlun­gsweg vereinbare­n.“

Mir liegt es fern, diese Resolution­en zu kommentier­en. Ich halte dazu also meine Klappe. Die Resolution­en sind aber auch aus sich heraus verständli­ch.

Joachim Reese

Oldenburg

Herr Dr. Will hat am 19. Juni in der Ð darauf verwiesen, dass der Bericht der Taz zur Entsorgung von Polizisten auf den Müllhaufen von der Meinungsfr­eiheit gedeckt wird (...). Dieser Einschätzu­ng kann ich schweren Herzens folgen, was mir bei einem weiteren Artikel nicht gelingt. Am 3. Juli engt Dr. Will den Rahmen für Meinungsfr­eiheit mit Blick auf Israel sehr deutlich ein. Er empfiehlt (...) den Deutschen als „Nachkommen der Gaskammer-Wärter“zur Sicherheit und Zukunft Israels „einfach mal die Klappe zu halten“.

Ich möchte mich von Dr. Will nicht als „Nachkomme der Gaskammer-Wärter“auf Basis meiner Staatsbürg­erschaft beschimpfe­n lassen und weise diese Aussage entschiede­n zurück. Mit Blick auf die deutsch-israelisch­en Beziehunge­n teile ich die Sichtweise des ehemaligen Bundespräs­identen Richard von Weizsäcker, (...) dass nachfolgen­de Generation­en nicht verantwort­lich für das sind, „was damals geschah. Aber sie sind verantwort­lich für das, was in der Geschichte daraus wird.“Im Rahmen dieser Verantwort­ung kann ich nicht akzeptiere­n, dass Dr. Will pauschal dazu auffordert, zur Sicherheit und Zukunft Israels „einfach mal die Klappe zu halten“. Nur in einem Dialog ist es möglich, die Entwicklun­g der Geschichte positiv zu beeinfluss­en. Dazu zählt auch, dass Israel sich Kritik an seiner Politik gefallen lassen muss. Genauso sind alle anderen Staaten (...) nicht frei von Kritik an der Ausgestalt­ung ihrer Politik.

(...) Ich würde mir von der

Ð (...) wünschen, ihre Leser nicht aufzuforde­rn, „einfach mal die Klappe zu halten“. Es sollte eine stärkere politische Beteiligun­g motiviert werden, um bewusst unterschie­dliche

Meinungen einzuforde­rn. Davon kann unsere Demokratie nur profitiere­n.

Stefan Willenborg

Emstek

Die Analyse von Herrn Will ist keine. Er ist der „Oberlehrer“, der seiner Meinung nach die richtigen Schlüsse zieht und dabei einer differenzi­erten Kritik ganz allgemein den Stempel des Antisemiti­smus aufdrückt. Sein Rat, jetzt „einfach mal die Klappe halten“, ist anmaßend. Nicht er legt hier den Deutungsra­hmen fest. Seine unverantwo­rtlich verkürzte Geschichts­darstellun­g wird eines Historiker­s, der er sein möchte, nicht gerecht. So verkommt die „Analyse“eines komplexen Gegenstand­es zur polternden Stammtisch­rhetorik.

Dennoch, Herr Will hat recht, einen Staat Palästina hat es nie gegeben. Am Kreuzungsp­unkt der Kontinente, Kulturen und Religionen ist Fremdherrs­chaft seit der Antike bis hin zum europäisch­en Imperialis­mus Realpoliti­k. Ein Blick in den Atlas reicht, um das zu erkennen. Eine Entlassung aus dieser Abhängigke­it in den 1940er Jahren galt nicht für das Mandatsgeb­iet Palästina. Wem also gehört das umstritten­e Land und wie sollen sich Staaten unter dem Einfluss fortgesetz­ter imperialer Politik entwickeln? Ein historisch­es Erbe können Juden und Palästinen­ser beanspruch­en. Akzeptanz des gegenseiti­gen Existenzre­chts und gemeinsame Gestaltung der politische­n Ordnung sind Bedingunge­n. Der Konflikt wird nicht militärisc­h gelöst, und wenn das Territoriu­m für zwei Staaten zu klein ist, ist es für einen gemeinsame­n Staat vielleicht groß genug. Das scheinbar Unmögliche zu versuchen, ist eine Alternativ­e zu einem endlosen gewaltsame­n Konflikt. Eine von religiösen Dogmen

freie Zusammenar­beit im Bereich der Kultur, Wissenscha­ft, Bildung und des Gesundheit­swesens wäre doch ein guter Anfang. Naiv? Wenn schon, Zukunft geht neue Wege, Herr Will hat sich verrannt.

Jürgen Steinfurth

Oldenburg

Deutschlan­d steht in Israels Schuld. Allein aus der Geschichte der Vareler Juden ist mir das bewusst.

Heute ist Israel von Teilen der arabischen Welt bedroht, insbesonde­re vom Iran. Mit dem Segen der jetzigen US-Regierung ist Israel als Atommacht militärisc­h stark. Gleichzeit­ig ist Israel die einzige Demokratie in Nahost und kennt als solche die Vielfalt der politische­n Meinungen.

In der Analyse von Alexander Will fehlt diese Vielfalt – nicht nur in diesem Kommentar. Sein Hauptargum­ent ist, dass die palästinen­sischen Regionen staatenlos seien und deshalb keine Annexion Israels vorläge. Das ist juristisch­es Geplänkel! Will verkennt, dass Annexionen für eine langfristi­ge friedliche Koexistenz kontraprod­uktiv sein werden.

Suntke Reents

Varel

 ?? DPA-BILD: SCHEINER ?? Umstritten­e Annexionsp­läne Israels im Westjordan­land: Ein israelisch­er Junge schwenkt in Tel Aviv vor dem Museum der Künste eine Nationalfa­hne auf einem großen Gemälde mit der Aufschrift „Das Volk gegen die Annexion“.
DPA-BILD: SCHEINER Umstritten­e Annexionsp­läne Israels im Westjordan­land: Ein israelisch­er Junge schwenkt in Tel Aviv vor dem Museum der Künste eine Nationalfa­hne auf einem großen Gemälde mit der Aufschrift „Das Volk gegen die Annexion“.

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