Immer mehr Risiko-Regionen
Corona-Krise Auch im Nordwesten steigen die Zahlen dramatisch
Im Nordwesten/Hannover – Die Corona-Lage spitzt sich immer weiter zu – auch im Nordwesten. Am Donnerstag kamen weitere Regionen mit kritischen Werten bei Neuinfektionen mit Covid-19 hinzu. So haben die Landkreise Wesermarsch und Emsland sowie die Stadt Delmenhorst die Marke von 50 Corona-Neuinfektionen pro 100 000 Einwohner in sieben Tagen überschritten.
Sehr hohe Werte
Im Emsland lag dieser entscheidende Wert für die Einstufung als Risikogebiet bei 55,4 Fällen pro 100 000 Einwohner, in der Wesermarsch bei 56,4. Spitzenreiter ist der Landkreis Vechta, wo 69,9 Fälle verzeichnet wurden. Die Stadt Delmenhorst lag bei 63,7. Der Landkreis Oldenburg droht den kritischen Wert noch nicht unmittelbar zu erreichen, er lag am Donnerstag
bei 30,0. Die Infektionszahl im Landkreis Cloppenburg sank hingegen am Donnerstag – dort gab es 24 Fälle pro 100 000 Einwohner.
Das Problem bei diesen
Zahlen: Sie beruhen auf unterschiedlichen Quellen. Manche stammen vom Landesgesundheitsamt, andere von den Städten oder Landkreisen. Beispiel Delmenhorst: Beim Landesgesundheitsamt
gilt die Stadt noch nicht als Risikogebiet, nach Informationen der Stadt selbst dagegen schon. Die Angaben der Kommunen sind dabei die jeweils aktuellsten.
Auch landesweit nahmen die Ansteckungen mit Covid19 um 320 Fälle zu (Stand: Donnerstag, 9 Uhr). Damit gibt es in Niedersachsen derzeit insgesamt 21 941 laborbestätigte Corona-Infektionen.
Minister Spahn warnt
Gesundheitsminister Jens Spahn rief am Donnerstag zu Wachsamkeit und raschem Gegensteuern vor Ort auf, um die Lage im Griff zu behalten. Der jüngste Anstieg auf mehr als 4000 Neuinfektionen bundesweit binnen eines Tages sei besorgniserregend. Der Präsident des bundeseigenen Robert Koch-Instituts (RKI), Lothar Wieler, warnte: „Es ist möglich, dass sich das Virus unkontrolliert verbreitet.“
Im Nordwesten/Hannover – Auch Niedersachsen will nun ein Beherbergungsverbot für Urlauber aus Corona-Risikogebieten. Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) kündigte am Donnerstag im Landtag eine entsprechende Verordnung an. Die Regelung soll voraussichtlich schon an diesem Samstag, dem ersten Tag der Herbstferien, in Kraft treten.
Dehoga überrascht
Überrascht vom Vorgehen des Landes zeigte sich der Hotelund Gaststättenverband (Dehoga) in Niedersachsen. „Das ist eine Katastrophe für unsere Betriebe“, sagte Landesgeschäftsführerin Renate
Mitulla in Hannover auf Anfrage unserer Zeitung. Die Betriebe hätten nicht die Kapazitäten, um ständig das Infektionsgeschehen der Kreise im Blick zu haben. Den zusätzlichen bürokratischen Aufwand monierte Hildegard Kuhlen, Geschäftsführerin des Dehoga Weser-Ems in Oldenburg.
Für eine bundesweite Regelung sprach sich der Tourismusverband Niedersachsen (TVN) aus. Damit würden Wettbewerbsnachteile innerhalb der Reiseregionen ausgeschlossen, meinte TVN-Vorsitzender Sven Ambrosy, zugleich Landrat des Kreises Friesland, in Jever. Auch ein „regionaler Flickenteppich“bleibe so aus.
Ein differenziertes Vorgehen mahnte Marcel Fangohr, Bürgermeister der Insel Wangerooge, an. Wenn sich das Infektionsgeschehen auf einen Ort, beispielsweise ein Altenheim in Vechta, konzentriere, warum werde dann ein Beherbergungsverbot für alle Kreiseinwohner ausgesprochen? Fangohr will die Bahn AG, die für den Fährverkehr zuständig ist, bitten, bereits in Harlesiel die Herkunftsorte der Inselbesucher zu kontrollieren.
Geld für die Betriebe
Von einem „weiteren herben Schlag“für die Tourismusbranche sprach Hendrik Schmidt, Hauptgeschäftsführer der Industrie- und Handelskammern in Niedersachsen (IHKN), in Hannover. Das Verbot bedeute für die Betriebe eine weitere Reduzierung der Gästezahlen, sagte er unserer Zeitung. Deshalb ist es aus Sicht der IHKN umso wichtiger, dass es eine bundesweit abgestimmte Regelung gibt, die von den Betrieben auch umgesetzt werden kann.
Wirtschaftsminister Bernd Althusmann (CDU) betonte: „Wir werden die Betriebe mit den Folgen nicht alleinlassen.“Daher plane das Land kurzfristige Hilfsmaßnahmen im Umfang von bis zu zehn Millionen Euro. Damit sollen Einnahmeausfälle der Betriebe ausglichen werden.
Das geplante Beherbergungsverbot, das am Samstag in Niedersachsen in Kraft treten soll, gilt für Reisende aus Corona-Risikogebieten mit mehr als 50 Neuinfektionen je 100 000 Einwohnern binnen sieben Tagen. Maßgeblich sei das Datum der Einreise nach Niedersachsen, sagte Weil. Es solle vermieden werden, dass kurzfristig Aufenthalte abgebrochen werden müssen. Touristen, die einen negativen Corona-Test vorlegen, dürfen Urlaub machen.
Pendler nicht betroffen
Betroffen sind Übernachtungen zu touristischen Zwecken, etwa in Hotels, Pensionen oder Jugendherbergen. Die Regelung gilt nicht für alle, die beruflich unterwegs sind.
Bewusst will Niedersachsen in der neuen Landesverordnung offenbar die Formulierung „Gebiete oder Einrichtungen“wählen, hieß es. Damit könnte das Beherbergungsverbot auf einen Hotspot begrenzt werden.