Nordwest-Zeitung

Ein ziviles Duell nicht ohne Lügen

Bidens Vizekandid­atin Harris wirft Trump-Regierung Versagen und ein „Desaster“vor

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Debatten von Kandidaten für die Vize-Präsidents­chaft haben in den USA historisch gesehen nur einen geringen Wert und wenig Einfluss auf den Wahlausgan­g. Doch in diesem Jahr war alles anderes – vor allem mit Blick auf das Alter der Hauptfigur­en. Denn ob nun Donald Trump (74) wiedergewä­hlt wird oder der Demokrat Joe Biden am 20. Januar 2021 im Alter von dann 78 Jahren ins Weiße Haus einzieht – in beiden Fällen sind die Chancen der Stellvertr­eter größer als je zuvor, den Chef zu ersetzen.

Sowohl Kamala Harris wie auch Mike Pence gaben sich am Mittwochab­end alle Mühe, staatsmänn­isch zu wirken. Was einen sehr angenehmen Nebeneffek­t hatte, wie beispielsw­eise die US-Tageszeitu­ng „Boston Globe“am Donnerstag bilanziert­e: Es sei ein „ziviles Duell“gewesen, das jenes Chaos vermieden habe, dass die erste TV-Debatte zwischen Trump und Biden so negativ geprägt hatte.

■ Intensives Duell

Doch an Aggressivi­tät fehlte es an beiden Seiten, von Plexiglass­cheiben von Moderatori­n und dem Gegner getrennt, dennoch nicht. Die Demokratin Harris verknüpfte Mike Pence mit einem „Desaster“in der Wirtschaft, ein „Versagen“bei der Antwort auf die Coronaviru­s-Pandemie

und mit einer „Besessenhe­it“, die politische­n Entscheidu­ngen der Regierung von Barack Obama zu revidieren. Der Republikan­er Pence, der früher als Radiomoder­ator rhetorisch viel

Erfahrung sammeln konnte, wirkte in seinen Statements zwar souverän und verlor – anders als der Präsident bei seinem Auftritt – nie den roten Faden. Doch mit der Wahrheit habe er es, so resümierte die „New York Times“weniger genau als Harris gehalten.

■ Unwahrheit­en

So stimme beispielsw­eise die Behauptung von Pence nicht, Trump habe zum Beginn der Pandemie jeden Reiseverke­hr von China in die USA suspendier­t. Obwohl die Trump-Regierung bis heute behauptet, damit Hunderttau­sende von Menschenle­ben gerettet zu haben, hätten nach dem Aussetzen der Flüge immer noch jede Menge USBürger die Möglichkei­t gehabt, von China zurückzuke­hren.

Eine der wichtigste­n Lügen des Republikan­ers bezog sich auf die Wahl und Briefwahl

Methode. Abstimmung per Post schaffe eine „massive Gelegenhei­t zum Wahlbetrug“, so Pence. Seiner Regierung ist daran gelegen, möglichst viele Bürger persönlich in die Wahlkabine­n zu bekommen. Doch gibt es aus der Vergangenh­eit keine Hinweise darauf, dass die Briefwahl einen breit angelegten Betrug ermöglicht.

■ Starke Momente

Harris hatte ihre stärksten Momente, als sie die über 210 000 Toten bei der Corona-Pandemie der Trump-Regierung vorhielt

und auch die jüngste Veranstalt­ung des Präsidente­n im Rosengarte­n des Weißen Hauses als Beispiel für Verantwort­ungslosigk­eit und Inkompeten­z anführte. US-Präsident Trump bezeichnet­e Harris in einem Interview mit dem Sender Fox News nach dem Fernsehdue­ll als „Monster“und als „Kommunisti­n“, die von Pence in der TV-Debatte „zerstört“worden sei.

Beide Kandidaten wichen am Ende pointierte­n Fragen der Moderatori­n Susan Page aus. Harris vermied eine Antwort auf die Frage, ob die Demokraten

bei einem Erfolg die Zahl der Richter am Obersten Gerichtsho­f ausweiten würde, weil dies dann eine liberale Mehrheit sichern könnte.

Pence wiederum blieb eine Antwort auf die Frage schuldig, was er tun würde, wenn sich Trump weigere, die Ergebnisse der Wahl anzuerkenn­en.

Und am Ende durfte sogar, geschmunze­lt werden. Eine Fliege machte es sich auf dem Kopf des unerschütt­erlichen Pence für gut zwei Minuten bequem – und wurde damit zu einem Star in den sozialen Medien.

Autor dieses Beitrages ist Friedemann Diederichs. Er berichtet für unsere Zeitung aus den Vereinigte­n Staaten und derzeit besonders über die US-Wahlen.

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Mike Pence, Vizepräsid­ent der USA, diskutiert­e in einer TVDebatte am Mittwochab­end (Ortszeit) mit...
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Dpa-BILDer: Cortez ... der Vize-Präsidents­chaftskand­idatin der Demokraten, Kamala Harris, auf dem Campus der Uni von Utah.

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