Corona-Klassiker im Kino
Diskussionen zum Thema „Corona“gibt es zuhauf. Meistens geht es dabei um Hygieneregeln, neue Forschungsergebnisse oder Impfstrategien. Im hannoverschen Kinokomplex „Astor“stand nun das Thema „(R)evolution der Arbeitswelt dank Corona“zur Debatte. Gastgeber war der Wirtschaftsrat, einst von CDUWirtschaftsminister Ludwig Erhard (1897-1977) gegründet und heute ein unternehmerischer Berufsverband mit rund 12 000 Mitgliedern. Er versprach „großes Kino“.
Auf dem Podium sah sich FDP-Parteichef Christian Lindner (41) herausgefordert von Dr. Anabel Ternès von Hattburg (48), Digitalunternehmerin, Professorin und Expertin für digitale Kommunikation, sowie von Sebastian Koeppel (43), Geschäftsführender Gesellschafter des FruchtsaftHerstellers „Beckers Bester“.
In freier Rede analysierte Lindner messerscharf die Coronakrise. Sein Fazit konnte man erahnen: Nachholbedarf bei der Digitalisierung, zu viel Bürokratie, raus aus dem Krisenmodus mit Impulsen für die Wirtschaft. Doch wenn er mit Begriffen wie „Agilität“und „New Work“hantierte, wurde es brenzlig. „Eine Methode kann kein Allheilmittel sein“, warnte Ternès. Zur Überraschung des FDP-Chefs und überzeugten Marktwirtschaftlers verteidigte Koeppel gar das „Lieferkettengesetz“. Es geht darum, dass Unternehmen bei der Produktion im
Ausland auf umweltschädigende oder menschenverachtende Produktionsverfahren achten müssen. Sein Unternehmen bekenne sich dazu, entzauberte der Getränkechef das vermeintliche Bürokratiemonster. Denn „Beckers Bester“fühle sich auch seinem Kokossaft-Lieferanten auf den Philippinen verpflichtet.
Ohnehin überraschte Koeppel, bekennender Flexitarier, mit unkonventionellen Ansichten. Das Unternehmen (50 Millionen Euro Umsatz) unterwirft sich derzeit einem radikalen Wandel. Die knapp 150 Mitarbeiter erhalten mehr Verantwortung und sollen sogar über die Höhe ihres Weihnachtsgeldes entscheiden. Der Saftladen aus Lütgenrode zeigt Haltung: klimaneutrale Produktion, klare Kante gegen Hass und Fremdenfeindlichkeit. Die Gesellschaft dürfe die Corona-Debatte nicht den AluHelmträgern überlassen, so Koeppel. Am Ende war sich das Trio auf dem Podium, vor der riesigen Kino-Leinwand, einig: Ohne Reform der Behörden, ohne bessere Bildungschancen und ohne Digitalisierung werde Deutschland nicht aus der Defensive kommen.
Nicht nur die 140 Zuhörer zeigten sich zufrieden, auch der prominente FDP-Chef: Lindner erbat die Visitenkarten von Ternès und Koeppel. „Was sie gesagt haben, passt in keine Schablone“, sagte er. Es war als Kompliment gemeint. @ Den Autor erreichen Sie unter Idel@infoautor.de