„AfD legt Nährboden für Antisemitismus“
Wie Charlotte Knobloch das jüdische Leben in Deutschland einschätzt
Frau Knobloch, fühlen sich Juden in Deutschland noch sicher?
Knobloch: Aufgrund der Veränderungen und der Zunahme des Antisemitismus sind jüdische Einrichtungen längst nicht mehr so sicher wie früher. Jüdische Menschen waren hier schon mal sicherer als sie es heute sind. Der politische Extremismus und die gesellschaftliche Indifferenz sind eine gefährliche Mischung. Die jungen Menschen halten sich alle Optionen offen. Sie machen sich Gedanken, in welchem Land ihre Kinder aufwachsen sollen. Einige denken darüber nach, das Land zu verSchändungen lassen – und ich verstehe das.
Die Zahl der antisemitischen Übergriffe und Straftaten steigt. Wie sehr besorgt Sie diese Entwicklung? Knobloch: Nach dem Holocaust und dem Ende des Zweiten
Weltkriegs hätte ich mir als jemand, der diese Schrecken noch erlebt hat, nie vorstellen können, dass wir uns damit noch einmal beschäftigen werden müssen. Es vergeht fast kein Tag, ohne dass man nicht etwas hört von jüdischer Friedhöfe, über Beleidigungen, gewalttätige Angriffe in unserem Land aus Judenhass. Solche Entwicklungen haben wir auch einer Partei wie der AfD zu verdanken, die sich etabliert hat und mit antisemitischen Worten und Taten den Nährboden dafür gelegt hat.
Es scheint, als seien die nach Halle gehaltenen Reden und angekündigten Konsequenzen in Vergessenheit geraten… Knobloch: Das ist einmal mehr das große Problem. Sobald die mediale Berichterstattung nicht mehr da ist, lassen auch Interesse und Engagement der politisch Verantwortlichen nach.