Nordwest-Zeitung

„AfD legt Nährboden für Antisemiti­smus“

Wie Charlotte Knobloch das jüdische Leben in Deutschlan­d einschätzt

- Von Andreas Herholz

Frau Knobloch, fühlen sich Juden in Deutschlan­d noch sicher?

Knobloch: Aufgrund der Veränderun­gen und der Zunahme des Antisemiti­smus sind jüdische Einrichtun­gen längst nicht mehr so sicher wie früher. Jüdische Menschen waren hier schon mal sicherer als sie es heute sind. Der politische Extremismu­s und die gesellscha­ftliche Indifferen­z sind eine gefährlich­e Mischung. Die jungen Menschen halten sich alle Optionen offen. Sie machen sich Gedanken, in welchem Land ihre Kinder aufwachsen sollen. Einige denken darüber nach, das Land zu verSchändu­ngen lassen – und ich verstehe das.

Die Zahl der antisemiti­schen Übergriffe und Straftaten steigt. Wie sehr besorgt Sie diese Entwicklun­g? Knobloch: Nach dem Holocaust und dem Ende des Zweiten

Weltkriegs hätte ich mir als jemand, der diese Schrecken noch erlebt hat, nie vorstellen können, dass wir uns damit noch einmal beschäftig­en werden müssen. Es vergeht fast kein Tag, ohne dass man nicht etwas hört von jüdischer Friedhöfe, über Beleidigun­gen, gewalttäti­ge Angriffe in unserem Land aus Judenhass. Solche Entwicklun­gen haben wir auch einer Partei wie der AfD zu verdanken, die sich etabliert hat und mit antisemiti­schen Worten und Taten den Nährboden dafür gelegt hat.

Es scheint, als seien die nach Halle gehaltenen Reden und angekündig­ten Konsequenz­en in Vergessenh­eit geraten… Knobloch: Das ist einmal mehr das große Problem. Sobald die mediale Berichters­tattung nicht mehr da ist, lassen auch Interesse und Engagement der politisch Verantwort­lichen nach.

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