„Ich werde jetzt auf der Straße erkannt“
Interview Liv Lisa Fries über den Erfolg von „Babylon Berlin“, was die Fans in der dritten Staffel erwartet
Er ist eines der Fernsehereignisse des Jahres: Die bei Fans und Kritikern beliebte Serie „Babylon Berlin“geht in die nächste Runde, die dritte Staffel läuft ab 11. Oktober (20.15 Uhr) im Ersten und soll dann auch in der ARD-Mediathek verfügbar sein. Mittwochs und donnerstags werden die weiteren Folgen ausgestrahlt (20.15 Uhr). Die Rolle als junge Frau mit Herz und Schnauze brachte Liv Lisa Fries den renommierten Grimme-Preis ein. Die 29-Jährige lebt in Berlin.
Frau Fries, was hat sich für Sie seit der Ausstrahlung der ersten beiden Staffeln geändert? Fries: Es hat sich so einiges verändert, ich bekomme jetzt ganz andere Anfragen, auch aus England oder Amerika. Mit steigendem Bekanntheitsgrad steigt im Kapitalismus eben der sogenannte Marktwert eines Schauspielers und man kommt plötzlich für andere Sachen infrage. Zum Beispiel habe ich unter der Regie von Oscar-Preisträger Stefan Ruzowitzky eine Kinoproduktion gedreht. Und ich werde auch hin und wieder auf der
Straße erkannt, selbst wenn ich eine Mütze aufhabe.
Sie ermitteln als Kollegin von Kommissar Gereon Rath im Berlin der 20er Jahre. Schlüpfen Sie gern in die Haut von Charlotte Ritter?
Fries: Ja, sehr, das ist toll. Mir gefallen ihre positive Art und ihre Stehauf-Qualität. Auch wenn es nicht immer nur die pure Wonne ist, sie zu spielen.
Warum nicht?
Fries: Weil die Figur auch mit Schmerz verbunden ist, es ist nicht alles nur schön in Charlottes Leben. Sie kommt aus ärmlichen Verhältnissen und
ist schon in den ersten beiden Staffeln durch existenzielle Momente gegangen. Sie ist unter anderem nach einem Autounfall beinahe ertrunken.
Beim allerersten Lesen des Drehbuchs dachte ich mir bei der Unterwasserszene: „Huch, das haben die mir ja gar nicht erzählt, dass sie in der Szene stirbt“. Dann habe ich aus Neugier weitergelesen und war froh, dass sie überlebt. Auch in den neuen Folgen wird Charlotte Ritter wieder sehr leiden.
Eine Herausforderung für Sie? Fries: In der dritten Staffel gibt es existenzielle Szenen, die mit Verlusten für Charlotte verbunden sind, das kostet mich viel Kraft. Immer wenn es um Leben und Tod geht, muss ich sehr viel Energie in das Spiel hineingeben, das ist
sehr anstrengend. Ich musste auch sehr viel schreien, wie der Zuschauer sehen wird, das ging mir total auf die Stimme.
Wie geht es mit Charlottes Kampf um Anerkennung in einer Männerwelt weiter? Fries: Das mit der Emanzipation ist ein zentraler Punkt, generell kämpft sie für Anerkennung und Wahrheit. Es kann ja nicht wahr sein, dass Männer mehr wert sein sollen als Frauen – damals wie heute, und das passt nicht in ihr humanistisches Weltbild. In den neuen Folgen ist sie aber Kommissarsassistentin, sie ist also Teil des Systems und kann nicht mehr wie früher einen
Spruch bringen, wenn ihr jemand blöd kommt. Sie muss mehr runterschlucken.
Die aktuelle Staffel spielt 1929, die zugrundeliegende Buchreihe von Volker Kutscher reicht bis 1938. Wie gut kennen Sie die Romane? Fries: Ich habe bisher keinen einzigen gelesen, denn das würde mich nur irritieren. Bevor wir angefangen haben die erste Staffel zu drehen, habe ich den ersten Roman aufgeschlagen. Dann habe ich eine Stelle gelesen, da hieß es sinngemäß: „Charlotte Ritter mit ihren langen Beinen.“Da habe ich das Buch sofort zugeschlagen, denn diese banale Äußerlichkeit hat mir klar gemacht: Diese Figur hat gar nichts mit mir zu tun. Ich muss meine Charlotte Ritter finden, und die bei uns ist ganz anders als die in den Romanen.
Was sagt Volker Kutscher zu diesen Änderungen? Fries: Volker Kutscher meinte, dass die Figur der Charlotte Ritter in der Serie, auch wenn sie nicht ganz so ist wie in seinen Büchern, trotzdem den Nerv seiner Figur getroffen habe. Das finde ich total schön.
„Es ist nicht immer nur die pure Wonne, Charlotte Ritter zu spielen.“
Liv Lisa Fries Hauptdarstellerin Babylon Berlin