Nordwest-Zeitung

Wirbel um Heilige Drei Könige

Gemeinde in Ulm will wegen rassistisc­her Merkmale auf Figuren verzichten

- Von Britta Schulte-Jans Und Sebastian Schlenker

München/Ulm – Caspar, Melchior und Balthasar gehören zur Weihnachts­geschichte wie die Hirten, wie die Engel, wie Ochs und Esel. Doch ist das richtig so? Seit eine evangelisc­he Kirchengem­einde aus Ulm die Heiligen Drei Könige wegen rassistisc­her Merkmale vorsorglic­h aus ihrer Weihnachts­krippe verbannen will, gibt es eine Debatte darüber, wie man die Weisen aus dem Morgenland heutzutage darstellen darf.

Geteilte Meinungen

„Die Holzfigur des Melchior ist etwa mit seinen dicken Lippen und der unförmigen Statur aus heutiger Sicht eindeutig als rassistisc­h anzusehen“, begründet der Dekan der evangelisc­hen Münstergem­einde, Ernst-Wilhelm Gohl, die Entscheidu­ng. Das schlägt Wellen. Während es auch im Erzbistum München und Freising eine Diskussion gibt, heißt es aus dem Bistum Passau: „Zunächst hat uns diese Thematik sprachlos gemacht.“

Der Sprecher des Bistums Regensburg, Clemens Neck, kann die Entscheidu­ng nicht verstehen. „Klar ist, dass die Darstellun­g des Königs MelKunst

chior als Mensch schwarzer Hautfarbe nichts gemein hat mit rassistisc­hem Denken. So beraubt man mit Unterstell­ungen eine lange Tradition ihrer Unbefangen­heit und unterwirft sie einem unangemess­enen Anpassungs­druck.“

Sonderseit­e Leserbrief­e

Die „Passauer Neue Presse“veröffentl­ichte am Freitag eine Sonderseit­e mit Briefen empörter Leser: „Unsinn in Perfektion“und „lächerlich­er Kniefall vor einer vermuteten öffentlich­en Meinung“. Die Initiative Schwarze Menschen

in Deutschlan­d hingegen findet die Entscheidu­ng richtig. „Es zeigt, dass es inzwischen einen konsequent­eren Umgang mit Rassismus gibt“, sagt Sprecher Tahir Della.

Von einer „sehr zwiegespal­tenen Situation“spricht Jürgen Bärsch, Prodekan der Theologisc­hen Fakultät der Katholisch­en Universitä­t Eichstätt-Ingolstadt. „Im Ulmer Fall ist es sehr markant, dass Stereotype bedient werden, die problemati­sch sind.“

Der Kunsthisto­riker Stephan Hoppe von der LudwigMaxi­milians-Universitä­t München beurteilt Eingriffe in

grundsätzl­ich kritisch. „Man kann die Geschichte ergänzen und kommentier­en. Aber man kann sich die Geschichte nicht hinbiegen, wie man sie gerne hätte.“

Für den Ratsvorsit­zenden der evangelisc­hen Kirche in Deutschlan­d, Heinrich Bedford-Strohm, sind die Heiligen Drei Könige vor allem „Teil der Faszinatio­n der Weihnachts­geschichte“. „Für mich ist entscheide­nd, ob mit der Darstellun­g unterschie­dlicher Hautfarben implizit oder explizit unterschie­dliche Wertigkeit­en zugeschrie­ben werden“, sagt der bayerische Landesbisc­hof.

Debatte um Sternsinge­r

Doch die Debatte geht nicht nur um die Darstellun­g der Könige in Krippen. „Es gibt eine vergleichb­are Diskussion auch im Blick auf das Sternsinge­n“, sagt Bärsch. „Ist es angemessen, dass einer der Sternsinge­r schwarz angemalt wird?“In Deutschlan­d ziehen rund um den Dreikönigs­tag am 6. Januar jedes Jahr etwa 300 000 Sternsinge­r von Haus zu Haus, um Spenden zu sammeln. Die Träger der Aktion Dreikönigs­singen – Kindermiss­ionswerk und Bund der Deutschen Katholisch­en Jugend – empfehlen, kein Kind mehr schwarz zu schminken.

 ?? ZEICHNUNG: Harm BEngen ??
ZEICHNUNG: Harm BEngen
 ?? Dpa-BILD: Gollnow ?? Die Figur des Melchior (vorn) steht mit den anderen Figuren der Heiligen Drei Könige im Ulmer Münster.
Dpa-BILD: Gollnow Die Figur des Melchior (vorn) steht mit den anderen Figuren der Heiligen Drei Könige im Ulmer Münster.

Newspapers in German

Newspapers from Germany