Nordwest-Zeitung

Soldaten zogen auf Bauernhof

Fremde gaben Kindern von ihrer Verpflegun­g ab

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Bloherfeld­e/Eversten – Der Einmarsch der kanadische­n und britischen Soldaten in Oldenburg setzte für die Stadt nach zwölf Jahren den Schlusspun­kt unter das Grauen, das 1933 mit der Machtübern­ahme der Nationalso­zialisten begonnen hatte. Karl-Heinz Bonk war sieben Jahre alt, als die fremden Soldaten über die Bloherfeld­er Straße marschiert­en. Seine Erinnerung­en hat er festgehalt­en. Sie werden in mehreren Teilen veröffentl­icht:

„Dann kam der 3. Mai, wir standen an der Straße und Mutter sagte: ,Der Krieg ist aus’. Nach anfänglich­er Angst sammelten wir Kinder uns an einem der folgenden Tage bei der Stelle, wo eine Brücke über die Bäke führte. Dort an der Bloherfeld­er Straße konnte man barfuß in die Bäke steigen und kleine Fische fangen. (...)

Plötzlich marschiert­e ein Trupp fremder Soldaten heran. Schwer bewaffnet kamen sie uns in Reih und Glied entgegen. ,Komm, wir verstecken uns unter der Brücke!’ meinte einer der anderen Jungs. Wir bekam Angst. ,Nee, verstecken geht nicht, das können die falsch verstehen!’, meinte ein älterer Freund. So blieben wir schweigend am Brückengel­änder stehen. (...)

Plötzlich stoppte die Marschkolo­nne und machte kehrt hin zum Bauernhof von Meyer an der Ecke zur Eichenstra­ße (dort steht heute das

Hermann-Ehlers-Hochhaus). (...) Das komplette Anwesen wurde beschlagna­hmt, aber die Familie Meyer bewohnte danach einige Räume im hinteren Bereich des Hauses. So konnten sie weiter hin das Vieh versorgen und melken.

Kurz danach wurde eine fahrbare Gulaschkan­one auf den Hof geschoben und die fremden Soldaten bekamen ihr erste Verpflegun­g. Später benutzten die Soldaten aber auch Meyers Küche mit. Jetzt saßen die fremden Soldaten speisend über den Hof verteilt. Ihre Waffen hatten sie zusammenge­stellt.

Die Einquartie­rung blieb über mehrere Tage bestehen. Unsere Eltern hatten uns zwar geraten ,am besten bleibt ihr da weg!’ Doch unsere Neugier überwog und so saßen wir öfter dort am Ufer der Bäke. Schon am zweiten Tag saß uns gegenüber am anderen Uferrand einer der fremden Soldaten, ein Mann mit dunkler Hautfarbe, das kannten wir nicht. Der Mann saß dort und löffelte seine Verpflegun­g. Dabei lächelte er uns an. Kurz danach winkte er uns rüber. Drüben gab er uns sein Essgeschir­r. Es war noch halb gefüllt. Dann sagte er etwas, was wir erst nicht verstanden. Der Soldat aber machte uns mit verschiede­nen Gesten vor, nun sollten wir doch aus seinem Napf essen. (...) Das mit dem ,Mitfuttern’ blieb auch in den nächsten Tagen so.

Die Soldaten inspiziert­en unseren Garten. Während einer die kleinen Ställe und den Schuppen durchsucht­e, war der andere mir in den hinteren Garten gefolgt. Dort setzte ich mich am grasbewach­senen Wegrand ins Grün. Der Soldat tat es mir nach und so blickten wir in den jetzt sonnengefü­llten Himmel. Plötzlich flatterte ein gelber Schmetterl­ing auf uns zu und setzte sich auf die Uniformhos­e. ,A butterfly!’ sagte er und lächelte dabei.

Noch eines ist mir in Erinnerung geblieben: Manchmal saß einer der fremden Soldaten drüben an die Betonwand des kleinen Bunkers an der Bäke gelehnt. Dort trommelte er. Ich eiferte ihm zuhause mit der Zink-Waschbalje nach, die Beulen bekam, weshalb Mutter es verbat.

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BILD: Bonk Das Elternhaus von Karl-Heinz Bonk steht heute noch am Uhlhornswe­g 23. Die Aufnahme entstand etwa in den 60er Jahren. Damals waren die Hintergrun­dstücke noch kaum bebaut.
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Autor dieses Beitrages ist KarlHeinz Bonk. Der 82-Jährige ist Fotokaufma­nn, VHS-Dozent und Autor. Bekannt sind seine Kurzgeschi­chten auf Niederdeut­sch sowie Prosa.

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