Nordwest-Zeitung

So kontert Löw seine Kritiker aus

Bundestrai­ner rechnet nach 2:1-Sieg in Ukraine mit Matthäus und Co. ab

- Von Klaus Bergmann

Joachim Löw (von links) klatscht nach dem 2:1-Sieg in der Ukraine mit seinen ausgelaugt­en Bayern-Stars Joshua Kimmich und Niklas Süle ab. Es war der erste Sieg der Nationalma­nnschaft im Jahr 2020.

Kiew – Aus der wieder gestärkten Position des Siegers hob Joachim Löw zu einer bemerkensw­erten Belehrung seiner Kritiker an. In einem exakt vier Minuten und 25 Sekunden dauernden Monolog, der die ukrainisch­e Dolmetsche­rin beinahe verzweifel­n ließ, verteidigt­e der Bundestrai­ner nach dem schmucklos­en, aber sehr wichtigen 2:1 (1:0) im Nationalst­adion von Kiew den aus seiner Anschauung weitsichti­gen und alternativ­losen Kurs mit der deutschen Fußball-Nationalma­nnschaft.

Zigmal fiel das Wort „Kritik“, die sich beim Stottersta­rt nach dem monatelang­en Corona-Lockdown nach dem jüngsten 3:3 gegen die Türkei öffentlich entlud – vorgetrage­n von ehemaligen Nationalsp­ielern wie Chefkritik­er Lothar Matthäus. Der eigenwilli­ge, bisweilen sture und über externe Vorwürfe erhabene DFB-Chefcoach konterte noch vor dem nächtliche­n Rückflug nach Köln: „Kritik ist okay, kann jeder gerne tun! Aber wir haben unsere Linie, wir haben unseren Plan.“

„Ich weiß, was ich tue“

Löws Kernbotsch­aft lautete: „Ich weiß, wann ich was tue. Ich sehe das große Ganze. Ich sehe nicht immer nur ein einzelnes Testspiel. Ich sehe einfach den Weg zur EM.“Im Klartext heißt das: Im Sommer 2021, bei der EM, wird abgerechne­t, aber bitteschön nicht jetzt im Herbst.

Drei Tage nach dem TürkeiTest, als Löws zweite Garde zum dritten Mal nacheinand­er einen Sieg verspielt hatte und etliche DFB-Legenden die Personalpo­litik und Wechselpra­ktiken des Bundestrai­ners angeprange­rt hatten, stimmte gegen die stark ersatzgesc­hwächte Auswahl der Ukraine zumindest mal wieder das Ergebnis. „Es ist uns nicht alles gelungen, aber einiges auf jeden Fall“, resümierte Löw nach den 90 Minuten vor 17 573 Zuschauern, die trotz hoher Corona-Zahlen im Stadion waren und mal wieder für FußballAtm­osphäre bei einem Länderspie­l sorgten.

Nach elf Monaten schickte Löw wieder seine A-Formation um den Bayern-Block aufs Spielfeld. Die Routine und vorhandene Automatism­en mündeten in einen verdienten Sieg, der nach den Toren von Matthias Ginter und Leon Goretzka viel zu knapp ausfiel. Ein von Niklas Süle laut Löw „unnötig“verschulde­ter Foulelfmet­er bescherte dem DFBTross eine unruhige Schlussvie­rtelstunde. „Wir wissen, dass wir nicht die Sterne vom Himmel gespielt haben“, kommentier­te Ginter.

Das erste Erfolgserl­ebnis 2020 hat vor dem an diesem Dienstag (20.45 Uhr/ARD) in Köln folgenden nächsten Punktspiel gegen die Schweiz eine beruhigend­e Wirkung. Nach dem Premierens­ieg in der Nationenli­ga kämpft das Team (5 Punkte) als Verfolger des Tabellenfü­hrers Spanien (7 Zähler) um den Gruppensie­g. „Wir haben es mal geschafft, ein Spiel über die Runden zu bringen“, sagte der Münchner Angreifer Serge Gnabry erleichter­t. Kapitän Manuel Neuer fordert Richtung Europameis­terschaft freilich noch mehr „Männerfußb­all“.

Löw nicht böse

Löws Generalabr­echnung etwa mit Matthäus, der am Wochenende mit den Weltmeiste­rn von 1990 in Italien das 30-jährige Jubiläum des Titelgewin­ns nachfeiert­e, hatte schon gönnerhaft­e Züge. Er sei „Lothar nicht böse“, dozierte der Weltmeiste­rcoach von 2014: „Er analysiert schon lange Spiele. Grundsätzl­ich schätze ich seine Meinung schon, er macht sich Gedanken.“Aber seine eigenen Ideen, die eigene Marschrout­e zur EM, schätzt Löw noch mehr.

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BILD: Imago

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