Nordwest-Zeitung

Alarmzeich­en aus dem Kanzleramt

- Von Gernot Heller, Büro Berlin

Wer den Ernst der Lage noch nicht erkannt hat, den belehrten am Donnerstag die neuesten Corona-Infektions­zahlen in Deutschlan­d eines Besseren. Mehr als 6600, so viel wie noch nie und keine Hoffnung, dass das schon der Höhepunkt sein könnte. Die Welle läuft, immer schneller, mit immer größerer Kraft.

Was aber mindestens eben so viel Angst macht ist, dass die deutsche Politik mehr und mehr in die Gefahr gerät, ihren bislang erfolgreic­hen Kurs von Umsicht, raschem gemeinsame­n Handeln und großer Entschiede­nheit nicht mehr halten zu können. Genau das ist das Signal, das von den zähen, vielstündi­gen Beratungen von Bundeskanz­lerin Angela Merkel mit den Spitzen der Bundesländ­er ausgeht. Die Autorität der Krisen-Kanzlerin mit ihren eindringli­chen Warnungen hat nicht mehr ausgereich­t, um die Ministerpr­äsidenten auf eine gemeinsame Linie zu zwingen. Das ist ein Alarmzeich­en.

Vermutlich wird sich an der so heftig umstritten­en Frage eines Beherbergu­ngsverbots in den Bundesländ­ern für Reisenden aus Risikoregi­onen nicht entscheide­n, ob wir einigermaß­en glimpflich durch die Krise kommen oder nicht. Aber in Zeiten, in denen der eine oder andere ob der dramatisch­en Zahlen schon wieder erste Hamsterkäu­fe tätigt und dabei ist, die Nerven zu verlieren, wäre es eben ein ermutigend­es Signal gewesen, wenn die Runde im Kanzleramt – Föderalism­us hin, Föderalism­us her – eine gemeinsame Linie zu dem Thema gefunden hätte. Jetzt müssen die Gerichte für Klarheit sorgen.

Eine einheitlic­he Linie gab es zu Beginn der Corona-Krise. Das war denn auch dafür verantwort­lich, dass die ganz überwiegen­de Mehrheit der Deutschen sich bis zuletzt hinter ihren Politikern versammelt­e und ihnen Vertrauen entgegenbr­achte. Dieses Grundvertr­auen könnte nun aber angesichts auseinande­rdriftende­r Tendenzen leiden.

@ Den Autor erreichen Sie unter forum@infoautor.de

 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Germany