Nordwest-Zeitung

Die Angst vorm Atomklo

- Stefan Idel über die neu entfachte Debatte über das Zwischenla­ger Asse

Gorleben ist als Endlager vom Tisch. Aber da gibt es ja noch ein „Atomklo“in Niedersach­sen: Im ausgedient­en Salzbergwe­rk Asse II im Kreis Wolfenbütt­el wurden von 1967 bis Ende 1978 etwa 126 000 Fässer mit Atommüll eingelager­t. Zum Inventar gehören 102 Tonnen Uran, 87 Tonnen Thorium, 28 Kilogramm Plutonium und erhebliche Mengen giftiger Stoffe wie Arsen. Durch das Deckgebirg­e dringt Wasser in die Schachtanl­age ein. Nach Berechnung­en der Betreiberi­n, der Bundesgese­llschaft für Endlagerun­g (BGE), etwa 13 Kubikmeter pro Tag. Asse II droht abzusaufen, daher sollen die Fässer so schnell wie möglich zurückgeho­lt werden.

Doch wohin mit dem Zeug? Geplant ist ein Zwischenla­ger direkt an der Asse. Bundesumwe­ltminister­in Svenja Schulze (SPD) will dort bauen lassen. Unterstütz­ung erhält sie ausgerechn­et von Niedersach­sens Umweltmini­ster Olaf Lies (SPD). Seiner Meinung nach ist es besser, möglichst schnell Klarheit beim Zwischenla­ger zu schaffen, damit der schwach- und mittelradi­oaktive Atommüll geborgen werden kann. Auch weite Transporte würden entfallen.

Den Parteifreu­nden im SPD-Bezirk Braunschwe­ig schmeckt dieser Cocktail aber gar nicht, den ihre Minister da angerührt haben. Der Vorstand fasste einen Beschluss, der für Druck auf Schulze sorgen soll. „Wir wollen eine Erklärung dafür haben, warum das Zeug hierher soll“, sagt der Landtagsab­geordnete Marcus Bosse (Wolfenbütt­el), zugleich Beisitzer im SPD-Bezirksvor­stand. Asse-ferne Standorte sollten zumindest geprüft werden. Sollte es dennoch zu einem Zwischenla­ger an der Asse kommen, stellen die Genossen klare Bedingunge­n: Es soll dort nur der Müll gelagert werden, der dort geborgen wird. Und das Lager soll zeitlich befristet genutzt werden.

Der Streit um Asse überschatt­ete bereits die Atomdebatt­e im Landtag: Bosse warf der BGE eine „Basta-Politik“vor und warnte: „Das wird sich die Region nicht gefallen lassen!“Schützenhi­lfe bekam er von Björn Försterlin­g, einst FDP-Obmann im Asse-Untersuchu­ngsausschu­ss.

Der SPD-Bezirk Braunschwe­ig mit zwölf Landtagsab­geordneten und zwei Bundestags­abgeordnet­en gilt parteiinte­rn als sehr einflussre­ich. Hier hatte einst der frühere Parteichef Sigmar Gabriel seine Machtbasis. Heute ist Bundesarbe­itsministe­r Hubertus Heil SPD-Bezirksfür­st. Er hob für den Asse-Beschluss die Hand. Ob es in Berlin nun Zoff am Kabinettst­isch mit Schulze geben wird, gilt als offen. Sicher ist: Nächstes Jahr sind Bundestags­wahlen. Und da möchte Heil wieder das direkte Ticket nach Berlin lösen.

@ Den Autor erreichen Sie unter Idel@infoautor.de

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