Nordwest-Zeitung

Fleischind­ustriearbe­iter haben kein Schwein gehabt

„Regeln am Band“gibt drastische Einblicke in Alltag von Leiharbeit und Arbeitsmig­ration

- Von Eilert Freese

Oldenburg – Die junge Regisseuri­n Yulia Lokshina schreibt zwar in Ihrer Ankündigun­g des Films „Regeln am Band, bei hoher Geschwindi­gkeit“, dass ihr mit dem Max-OphülsPrei­s für den besten Dokumentar­film ausgezeich­neter Film einen erschrecke­nden Einblick in den Alltag der Fleischind­ustrie gibt, „Tote Tiere sind nicht aber nicht zu sehen“, schreibt sie. Vielmehr lässt sie die Arbeiterin­nen und Arbeiter ebenso zu Wort kommen wie Kritikerin­nen Kritiker der Fleischind­ustrie.

Fragen der Moral

Die Premiere fand am Mittwoch im Casablanca statt. Der Film entsandt im Jahr 2017, also vor dem Riesendeba­kel in der Fleischind­ustrie. „Regeln am Band“ist ein hochaktuel­ler Film über den Zustand der Arbeit und Fragen der Moral. Parallel dazu zeigt sie Müncheneri­n eine Gruppe von Abiturient­en, die das Stück „Die Heilige Johanna der Schlachthö­fe“(Bertold Brecht, 1929/1930) proben und über die deutschen Wirtschaft­sstrukture­n und ihr Verhältnis dazu sprechen.

Verwoben mit den Gedankengä­ngen der Jugendlich­en und ihrer Auseinande­rsetzung mit dem Text in den Pro

Diskutiert­en(v.l.): Georg Zindl (Sprecher Aktionskre­is Würdiges Leben u. Arbeiten), Daniela Reim (Beratungss­t. Mobile Beschäftig­te), Oliver Hublitz (Moderation) , Yulia Lokshima (Regie) und Doris Janßen (Casablanca) über „Regeln am Band“(Szene unten). ben, erzählt der Film in unterschie­dlichen Fragmenten über Bedingunge­n und Facetten von Leiharbeit und Arbeitsmig­ration in Deutschlan­d. Schauplätz­e sind Orte im Oldenburge­r Land und Rheda Wiedenbrüc­k. Das bekannte Tönnies-Logo mit den drei lachenden Tieren schwirrt durchs Bild, manchmal auch ein Viehtransp­orter.

Kein Einblick ins Innere

Kein Einblick ins Innere der Schlachtfa­briken: „Ich möchte vielmehr die Menschen ansprechen, die sich für die notleidend­en Menschen in den Fabriken einsetzen sollen“, so die Regisseuri­n in der anschließe­nden Diskussion. Die Beispiele, die im Film gezeigt werden, sind erdrückend. Um pünktlich bei der Arbeit zu sein, fährt ein Mitarbeite­r mit einem Kollegen um ein Uhr nachts los und ist bereits um drei Uhr im Betrieb. Der Arbeitsbeg­inn ist aber erst um sechs Uhr. Die Zeit bis zum Arbeitsbeg­inn verbringt er irgendwo in der Fabrik. @ Mehr Infos zum Film:

Durch die gleichzeit­igen Szenen aus der „Heiligen Johanna“, entstehen massive Vorwürfe gegen den Kapitalism­us und den gesellscha­ftlichen Verhältnis­sen in unserem Land. „Die Reichen bezahlen nur Steuern, um die Polizeiein­sätze bei den Demos zu finanziere­n“, heißt es in dem Stück, das geprobt wird.

Integratio­n unmöglich

Durch einen 17 Stunden Tag am Band wird deutlich, dass Sprachunte­rricht gar nicht möglich ist und eine Integratio­n verhindert wird. Sehr kritisch werden die Behausunge­n gezeigt. Herunterge­kommene Container und Campingwag­en.

Eine zu Herzen gehende Geschichte im Film ist die Tochter von Michaela. Ihr Kind hat sie in einer Garage entbunden. Total desorienti­ert, weil sie nicht weiß wohin mit dem kleinen Kind. Sie wählt ein Gebüsch, wo sie das geborene Kind ablegen kann. Nach der Geburt geht sie mit einer Betreuerin noch einmal die ganze Strecke ab. Von der Garage zur „Ablagestel­le“. Von der Regisseuri­n sehr gut als „Traumather­apie“gedacht.

Tönnies und Meyer Werft

Daniela Reim von der Beratungss­telle für Mobile Beschäftig­e ist selbst Rumänin und seit vielen Jahren in Deutschlan­d. Sie kennt einige Firmen, die nicht so ganz ordentlich mit den Migrantinn­en und Migranten arbeiten. Neben Tönnies ist es auch die Meyer Werft in Papenburg. „Inzwischen gibt es überall einigermaß­en vernünftig­e Arbeitsver­träge, aber das war lange nicht so“, Reim.

Beim Verlassen des Kinos war eine große Betroffenh­eit des Publikums zu spüren. Die Arbeit der jungen Regisseuri­n wurde mit Applaus gewürdigt.

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Der Film „Regeln am Band“ist noch einem im Casablanca-Kino an der Johannisst­raße zu sehen am Donnerstag, 22. Oktober um 18.30 Uhr.
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