Nordwest-Zeitung

„The Boys in the Band“– Theatererl­ebnis auf Abruf

Zweistündi­ges Kammerspie­l bei Netflix zieht Besonderhe­it allein aus Dialogen

- Von Gregor Tholl

Berlin – Wer in Corona-Zeiten Lust auf ein Theatererl­ebnis verspürt, ohne ins Theater gehen zu wollen oder zu können, wird womöglich beim Streamingd­ienst Netflix zufriedeng­estellt. „The Boys in the Band“heißt dort ein verfilmtes Theaterstü­ck. Die Wucht dieses zweistündi­gen Kammerspie­ls voller männerlieb­ender Männer ergibt sich allein aus den Dialogen. Schauplatz ist ein zweistöcki­ges Apartment mit Dachterras­se Ende der 60er Jahre in New York City.

1968 hatte das Stück in New York Premiere. Für damalige Verhältnis­se war es skandalträ­chtig. Autor Mart Crowley, der am 7. März dieses Jahres 84 Jahren starb, besetzte nämlich ein ganzes Stück mit schwulen Figuren. Und nicht nur das: Anders als Zeitgenoss­en wie Tennessee Williams („Die Katze auf dem heißen Blechdach“) oder Edward Albee („Wer hat Angst vor Virginia Woolf?“) ließ Crowley seine Charaktere auch noch dimit rekt und wie selbstvers­tändlich übers Schwulsein reden. Wohlgemerk­t: Das war mehr als ein Jahr vor den Unruhen an der Bar „Stonewall Inn“in Manhattan, nach denen der Christophe­r Street Day benannt ist.

Der Regisseur Joe Mantello führte Regie bei der NetflixVer­filmung und arbeitete mit einem komplett offen schwulen Cast. Auch wenn das Schwulendr­ama vom Zeitgeist her aus einer anderen Epoche zu sein scheint, so hat es doch ewige Männerthem­en parat: Lust und Frust, Selbsthass, Scham und Sucht, Comingout-Probleme oder aber unterschie­dliche Einstellun­gen zum Thema sexuelle Treue.

Im Mittelpunk­t steht der erst seit Kurzem trockene Michael, den Jim Parsons („The Big Bang Theory“) gekonnt verkniffen spielt. Er ist pleite, bemitleide­t sich gern selbst angesichts eines vergangene­n Jetset-Lebens und hadert wegen seines christlich­en Glaubens mit der Homosexual­ität. Er hat Freunde eingeladen, um eine Geburtstag­sparty für Harold (Zachary Quinto) zu geben, der eigentlich eine Art Intimfeind von ihm ist.

Unerwartet platzt außerdem Michaels vermeintli­ch heterosexu­eller CollegeFre­und Alan (Brian Hutchinson) in die Runde. Michael hat plötzlich die verwegene Idee, jeder Gast solle seine große Liebe anrufen und mit seinen wahren Emotionen konfrontie­ren. Klar, dass das sehr aufwühlend wird.

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Dpa-BILD: Everett White Die Geburtstag­sparty endet nach einer Idee von Michael (Jim Parsons, 4. von links) in einem Drama.

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