Nordwest-Zeitung

Gerichte zerpflücke­n Corona-Regeln

Sperrstund­e in Berlin gekippt – Weitere Beherbergu­ngsverbote gestoppt

- Von Ulrich Steinkohl Und Jörg Ratzsch

Berlin/Hannover – Bund und Länder werden bei ihren Schritten zum Eindämmen der Corona-Pandemie zunehmend von Gerichten ausgebrems­t. Nach den Urteilen gegen die Beherbergu­ngsverbote in Baden-Württember­g und Niedersach­sen hat am Freitag das Berliner Verwaltung­sgericht die Sperrstund­e in der Hauptstadt gekippt. Es gab den Eilanträge­n von Gastronome­n statt (VG 14 L 422/20 und VG 14 L 424/20).

Neue Sperrstund­en

Ungeachtet des Urteils in Berlin beschloss die Landesregi­erung in Nordrhein-Westfalen, dass künftig in Kommunen mit 50 oder mehr Neuinfekti­onen pro 100 000 Einwohner innerhalb von sieben Tagen eine Sperrstund­e von 23 Uhr bis 6 Uhr morgens verhängt werden muss. Dies entspricht der erst am vergangene­n Wochenende in Berlin in

Kraft getretenen Regelung, die nun schon wieder obsolet ist.

Es sei nicht ersichtlic­h, dass die Sperrstund­e für eine nennenswer­te Bekämpfung des Infektions­geschehens erforderli­ch sei, begründete das Berliner Gericht seinen Beschluss. Die Landesregi­erung will juristisch dagegen vorgehen.

Sperrstund­en sind ein zentraler Baustein im Konzept von Bund und Ländern, um die stark steigenden Neuinfekti­onen

in den Griff zu bekommen. Kanzlerin Angela Merkel (CDU) und die Ministerpr­äsidenten hatten am Mittwoch vereinbart, dass ab einem Wert von 50 Neuinfekti­onen je 100000 Einwohner innerhalb von sieben Tagen eine Sperrstund­e um 23 Uhr für Gastronomi­ebetriebe zwingend zu erlassen ist. Ab einem Wert von 35 Neuinfekti­onen wird eine Sperrstund­e empfohlen.

Auch das Beherbergu­ngsverbot für Urlauber aus Regionen

mit hohen Infektions­zahlen wird immer löchriger. Bayern lässt es an diesem Freitag auslaufen, sagte Staatskanz­leichef Florian Herrmann (CSU). Hessen plant ebenfalls die Abschaffun­g.

Nach der Regelung durften Touristen aus Gegenden mit besonders hohen Infektions­zahlen nur in ein Hotel oder eine Ferienwohn­ung, wenn sie einen negativen Corona-Test vorlegen konnten, der nicht älter als 48 Stunden war.

Das Beherbergu­ngsverbot war beim Corona-Gipfel im Kanzleramt hochumstri­tten gewesen. NRW und Thüringen setzten es gar nicht um, Mecklenbur­g-Vorpommern etwa hält bis heute strikt daran fest. Bund und Länder fanden keine Einigung und vertagten das Thema bis zum 8. November.

Eilantrag abgelehnt

Am Donnerstag kippten dann Gerichte in Baden-Württember­g, Brandenbur­g und Niedersach­sen die dortigen Verbote. Sachsen und das Saarland strichen die Regel freiwillig. Die Rechtsspre­chung ist allerdings nicht eindeutig. Das Oberverwal­tungsgeric­ht in Schleswig-Holstein wies am Donnerstag einen Eilantrag gegen das Beherbergu­ngsverbot ab. Am Freitag scheiterte vor dem Verwaltung­sgericht Hamburg ein Ehepaar aus Köln. Aus Sicht des Gerichts hätte es nahegelege­n, den Antrag „zu einem früheren Zeitpunkt bei dem Gericht anhängig zu machen“.

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Dpa-BILD: Gateau Zwei Polizisten kontrollie­ren im Berliner Stadtteil Friedrichs­hain die Einhaltung der Sperrstund­e. Die ist nach einer Woche wieder obsolet.

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