Wie die NFL ihren Zeit-Vorteil verspielt hat
Reguläre Saison könnte erweitert werden – Bald keine Spielverlegungen mehr möglich
Oldenburg – Als die Kansas City Chiefs im Februar die Vince Lombardi Trophy in den Nachthimmel von Miami reckten, ahnte niemand, welches Ausmaß das Coronavirus haben würde. Der 54. Super Bowl in der nordamerikanischen Profiliga NFL war gerade abgepfiffen. Nach dem Endspiel hatten auch die letzten beiden Teams Urlaub, bis es im Mai wieder mit der Vorbereitung losgeht.
Draft, Trainingscamps, Preseason, gefolgt von 17 Wochen Spektakel, Playoffs im Januar, und dem Super Bowl am ersten Sonntag im Februar. Der Rahmen eines NFL-Jahres ist immer gleich und die Termine sind nicht besonders flexibel. Was soll schon passieren? Doch im März kam die Sportwelt zum Erliegen. Europas Fußball und die amerikanischen Topligen NBA und NHL mussten die Spielzeit ohne Publikum zu Ende bringen und vor allem: sie mussten improvisieren.
Quarterback Cam Newton von den New England Patriots wurde im Oktober positiv auf Covid-19 getestet.
■ Die Pandemie ignoriert Die NFL hatte den Vorteil, dass ihre Saison erst im September startete. Die Verantwortlichen hätten sich ein halbes Jahr lang ein perfekt ausgearbeitetes Konzept überlegen können. Was passiert, wenn Spieler positiv getestet werden? Wie viele Zuschauer dürfen in die Stadien? Ist eine „Bubble“für die Playoffs realisierbar, also ein zentraler Ort, an dem sich alle Teams in Isolation aufhalten? Wird die reguläre Saison verlängert? Auf diese Fragen
gibt es bis heute keine Antwort – fünf Spieltage sind absolviert.
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Terminprobleme
Vor dem vierten Spieltag wurden 13 Spieler der Tennessee Titans positiv getestet. Die Liga schlug zunächst vor, das Spiel gegen Pittsburgh von Sonntag auf Montag zu verlegen – baute dann aber den Spielplan um. Schwieriger wurde es, als eine Woche später die New England Patriots Coronafälle meldeten und deren Partie gegen Denver verschoben werden musste. Die Änderungen im Spielplan betrafen acht Teams.
Da jede Mannschaft 16 Partien in 17 Wochen bestreitet, hat sie an einem Wochenende spielfrei. Das verschafft der NFL etwas Flexibilität. Es ist aber offensichtlich, dass es zu Problemen kommt, wenn in den nächsten Wochen weitere Duelle verschoben werden müssen. Die Liga denkt nun darüber nach, einen 18. und 19. Spieltag einzuführen, um Nachholspiele auszutragen. „Die NFL befindet sich einem wackeligen Zustand“, sagte der US-Epidemiologe Zachary Binney im „Spiegel“: „Bei der Masse an Infizierten, die es im Land gibt, wäre es das Sicherste, wenn jedes Team im eigenen Trainingszentrum wohnt und auf Kontakte nach draußen verzichtet.“
Eine „Bubble“, wie sie die NBA organisiert hat, wird es wohl auch in den Playoffs nicht geben. „Wir halten das nicht für die sicherste Vorgehensweise. Wir alle müssen erkennen, dass es keine perfekten Lösungen gibt“, erklärte NFL-Chefmediziner Allen Sills der „USA Today“.
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25 000 Fans in Dallas
Was Zuschauerzahlen angeht, kann man die Teams nicht pauschalisieren – die NFL hat sich aber auch nicht um Einheitlichkeit bemüht. Die Entscheidungen über Kapazitäten liegen bei den Bundesstaaten.
So spielen beispielsweise die San Francisco 49ers, Los Angeles Rams und Los Angeles Chargers (Kalifornien) ohne Fans, während die Dallas Cowboys (Texas) zuletzt 25 000 Zuschauer zugelassen hatten. Dort fasst das Stadion zwar 80 000 Plätze, doch vergleicht man diese Zahl mit Fußballstadien derselben Größenordnung, wird der Unterschied deutlich: In Dortmund durften 11 500 Fans in den Signal Iduna Park (81 365). Im Mailänder Guiseppe Meazza (80 018) und im Santiago Bernabeu (81 044) von Real Madrid sind keine Zuschauer erlaubt.