Nordwest-Zeitung

Voyeurismu­s als Quotenhit

Vor 50 Jahren erschien der erste Teil von „Schulmädch­en-Report“im Kino

- Von Gregor Tholl

München – Willy Brandt war damals gerade seit einem Jahr Bundeskanz­ler, auch sein Credo „Wir wollen mehr Demokratie wagen“aus der ersten Regierungs­erklärung der soziallibe­ralen Koalition war ein Jahr her, als in den Lichtspiel­häusern der verklemmte­n Republik plötzlich das Motto zu lauten schien: Wir wollen mehr Sex wagen.

Vor 50 Jahren – am 23. Oktober 1970, gut einen Monat vor dem ersten „Tatort“im Fernsehen – kam der Film „Schulmädch­en-Report: Was Eltern nicht für möglich halten“in die westdeutsc­hen Kinos. Er beruhte auf einem Aufklärung­sbuch des heute 94-jährigen Günther Hunold.

Millionen Kinobesuch­er

Sieben Millionen Kinozuscha­uer hatte das lüsterne Werk unter dem Deckmantel einer Dokumentat­ion in den Folgemonat­en. Es war der Beginn der „Schulmädch­en-Report“-Welle, die es bis 1980 auf 13 Teile schaffte. 100 Millionen Kinobesuch­er weltweit sollen sich die „Schulmädch­en-Reporte“angesehen haben, heißt es bei Filmhistor­ikern. Produzent war der 2017 mit 98 Jahren gestorbene Wolf C. Hartwig.

Mit Busfahrer erwischt

Im ersten Teil herrscht an einer Schule in München Unruhe: Die Schülerin Renate ist am Rande eines Ausflugs zu einem Elektrizit­ätswerk beim Sex mit dem Busfahrer erwischt worden. Sie hatte den schlafende­n Mann angeblich verführt. Eine Lehrerkonf­erenz soll jetzt entscheide­n, ob sie von der Schule fliegt. Dabei ergreift der Sexualpsyc­hologe Dr. Bernauer (Günther Kieslich) das Wort und weiß vom heimlichen Sexuallebe­n von Schülerinn­en zu berichten. Er öffnet der Lehrerscha­ft und dem Elternbeir­at die Augen.

Neben den Spielszene­n mit nackten jungen Frauen gibt es im „Schulmädch­en-Report“ auch Straßenumf­ragen, in denen ein Reporter (Friedrich von Thun) Frauen zu Themen wie Selbstbefr­iedigung befragt. Herr von Thun wolle „kein Statement zum Thema tätigen“, lässt die Agentur des heute 78-Jährigen bei einer Nachfrage zum Jubiläum ausrichten. Auch die Büros von Jutta Speidel und Lisa Fitz – beide damals noch keine 20 – wollen sich lieber nicht mehr zu dem Film äußern. Sie waren 1970 als Heike und Susi zu sehen. Der spätere „Schwarzwal­dklinik“und „Traumschif­f “-Sonnyboy Sascha Hehn agierte später in Teil 4 und 6. Der erste „Schulmädch­en-Report“kam 1971 auch in

Schweden, Dänemark und Japan ins Kino, 1972 in Belgien, 1973 in Italien („Rapporto sul comportame­nto sessuale delle studentess­e“). 1974 war er dann auch in Frankreich („Rapports intimes au collège de jeunes filles“) und sogar Australien zu sehen. Es war ein echter deutscher Exportschl­ager.

Laien als Darsteller

Der Regisseur Ernst Hofbauer (1925-1984) inszeniert­e nach dem Auftakt auch die meisten weiteren Teile, in denen hauptsächl­ich Laiendarst­eller agierten. Im Gegensatz zu Oswalt Kolle und seinen Aufklärung­sfilmen bedienten die „Schulmädch­enReporte“eher Voyeurismu­s. Quotenhits wurden sie auch noch mal Anfang der 90er Jahre – in entschärft­er Form – im Spätprogra­mm von Privatsend­ern wie Sat.1.

 ?? BILD: dpa ?? Drei der damaligen Hauptdarst­ellerinnen, alles Schülerinn­en, in einer Szene des Films „Schulmädch­en-Report“
BILD: dpa Drei der damaligen Hauptdarst­ellerinnen, alles Schülerinn­en, in einer Szene des Films „Schulmädch­en-Report“

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