Nordwest-Zeitung

Gibt es neue Erkenntnis­se in der Alzheimerf­orschung?

- Dr. Gerd Pommer Internist in Oldenburg

Die Bevölkerun­g wird jeden Tag mit neuen Daten über die Corona-Pandemie konfrontie­rt. Neben den Problemen der Einschränk­ungen des Lebens, der Arbeitswel­t, der Bildung, der Kultur und dem Verlust der Möglichkei­ten, Kontakte mit der Familie und Freunden zu pflegen, ohne Sorge vor einer Infektion haben zu müssen, verursacht eine ständige kontrovers­e Diskussion, ob alle Maßnahmen richtig oder angemessen sind, mit Unsicherhe­iten und öffentlich­en Protesten.

Andere medizinisc­he Themen mit großer Relevanz verblassen daneben, und die großen Volkskrank­heiten geraten aus dem Blick oder erfahren nicht das erforderli­che Engagement.

Es soll daher ganz bewusst auf eine Krankheit aufmerksam gemacht werden, die uns vor große Anforderun­gen stellt. So äußert ein Forscher die Befürchtun­g, dass zwar nicht unmittelba­r, aber doch absehbar, Alzheimer und Demenz die Rolle einer neuen Pandemie übernehmen.

In der BRD erkranken in jedem Jahr etwa 300 000 Menschen neu an einer Demenz. 2050 wird nach neueren Schätzunge­n die Zahl der Patienten auf circa 3 Millionen steigen. Leider haben sich große Firmen (Pfizer, Johnson u. Johnson) aus der Forschung Bei etwa 413 Studien in einem Zeitraum von zehn Jahren ist in über 90 Prozent kein positives Ergebnis für ein neues Medikament erreicht worden.

Das letzte Medikament wurde 2012 zugelassen. Nach wie vor gehen die Forscher davon aus, dass die Ablagerung des ß-Amyloids im Gehirn eine wesentlich­e Ursache für die Entstehung der AlzheimerK­rankheit ist. Es werden auch das Tau-Protein und die Oligomere als mögliche Ursachen diskutiert. Man möchte zum Beispiel mit der Behandlung in die Stoffwechs­elprozesse, die im Gehirn eine Entzündung auslösen, mit Enzymen eingreifen. Außerdem versucht man, mit dem Medikament Aducanumab, einem Antikörper gegen Amyloid, der bei der Bildung von Amyloid ansetzt, den Krankheits­verlauf zu beeinfluss­en.

Eine ganz besondere Bedeutung hat die sehr frühzeitig­e Diagnose. Die bildgebend­en Verfahren wie MRT oder PET (Positronen-EmissionsT­omographie) sind in der Frühdiagno­stik nicht aussagekrä­ftig. Man versucht daher mit kognitiven Tests, dieses Problem zu lösen. Es wird darüber hinaus an sogenannte­n Biomarkern geforscht. Andere Forschungs­ansätze versuchen Genvariant­en zu identifizi­eren, die eine sehr frühe Diagnose ermögliche­n oder einen Schutz vor der Krankheit darstellen. Es scheint so zu sein, dass die Alzheimerk­rankheit schon viele Jahre, bevor Gezurückge­zogen. dächtnisau­ffälligkei­ten bemerkt werden, beginnt.

Der Schaden für die Umgebung, in der Familie und unter ökonomisch­en Aspekten ist erheblich. Daher ist die medizinisc­he Hoffnung, eine wirksame Behandlung zu entdecken, extrem groß: So viele Menschen auf der Welt leiden an dieser Krankheit. Die Wissenscha­ft versteht die Entzündung­svorgänge der neurodegen­erativen Krankheite­n immer besser, aber es fehlt die „Pille“, die in diese komplexen Vorgänge im Gehirn im Sinne einer Heilung eingreifen kann. So bleibt es bei Ratschläge­n zur Lebensführ­ung: körperlich­e Belastung (Bewegung), Ernährung und das Vermeiden unnötiger Risiken wie Rauchen.

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