Nordwest-Zeitung

Brücke zwischen Kulturen

Maryam Ghandehari setzt sich für gegenseiti­ges Verständni­s ein

- Von Heidi Scharvogel

Oldenburg – Eine Brücke zwischen Kulturen, das möchte Maryam Ghandehari sein. „Ich möchte helfen, dass die Menschen sich besser verstehen und in Frieden miteinande­r leben. Denn Frieden ist für mich das höchste Ziel“, sagt die gebürtige Iranerin, die seit 14 Jahren in Oldenburg lebt. Als Tochter einer Iranerin, die vor allem in Hamburg aufgewachs­en ist, und eines Iraners, der in England studiert hat, ist sie in verschiede­nen Kulturen zu Hause – und vertraut damit, dass ein Wort völlig unterschie­dliche Bedeutunge­n haben kann. „Wenn ein traditione­ller arabischer Mann sagt, dass er seine Frau liebt, versteht er darunter, dass sie nicht arbeitet und von ihm versorgt zu Hause ist. In Europa sieht man das als einsperren an. Liebt ein europäisch­er Mann seine Frau, ist es normal, dass sie arbeitet. Für viele arabische Männer bedeutet dies, dass die Frau auf die Straße geschickt wird“, erklärt Maryam Ghandehari.

Haus der Ideen

Ideen für Projekte, die gegenseiti­ges Verständni­s fördern, vom „Alphabet des Friedens“, in dem jeder Buchstabe mit einem Teilprojek­t verknüpft ist, bis zur langen Nacht der Geschichte­n gehen ihr nicht aus. „Meine Tochter sagt immer, wir wohnen im Haus der Ideen“, erzählt sie lachend. Bücher spielen dabei eine wichtige Rolle. Schon mit 13 Jahren hat sie deutsche und französisc­he Bücher ins Persische übersetzt. Deutsch hat sie von ihrer Mutter und während vieler Sommer beim Großvater in Hamburg gelernt. „Vor der islamische­n Revolution brauchten wir kein Visum“, berichtet Maryam Ghandehari, die in Teheran aufgewachs­en ist. Französisc­h hat sie an einer katholisch­en Schule gelernt, in der Nonnen muslimirat­uragentin jüdische und christlich­e Mädchen unterricht­eten.

Auch während sie französisc­he Literatur studierte, übersetzte sie Bücher – bis sie durch Zufall herausfand, dass sich das Unternehme­n ihres Vaters nicht nur mit Architektu­r, sondern auch mit nachhaltig­er Entwicklun­g und Bildung befasst. „Das hat mich sehr interessie­rt.“

Hilfe zur Selbsthilf­e

So engagierte sich Maryam Ghandehari in mehreren partizipat­iven Projekten für eine nachhaltig­e Entwicklun­g in den trockenen Zonen Irans. Als sie später die Möglichkei­t bekam, in Hamburg zu promoviere­n, wollte sie wissenscha­ftlich überprüfen, ob das Behabad Projekt erfolgreic­h war. „Es war nicht einfach, jemanden zu finden, der die Promotion betreute. Viele winkten ab, sobald sie Iran hörten, etwa weil es schwierig war, die Arbeit dort zu überprüfen. Aber Professor Tetzlaff betreute mich schließlic­h“, berichtet Maryam Ghandehari. Allerdings musste sie erst noch einige Scheine nachholen, da sie mit französisc­her Literatur doch etwas ganz anderes studiert hatte.

Bücher ließen sie aber nicht los. Jahre später, sie ist inzwischen mit einem Deutschen verheirate­t, setzt sich Maryam Ghandehari verstärkt dafür ein, dass europäisch­e Bücher im Iran erscheinen. Kein leichtes Unterfange­n, da iranischen Verlagen abgesehen von der Zensur, manchmal das Interesse und häufig das Geld für die Urheberrec­hte fehlt. Auch in Deutschlan­d war es nicht einfach, Verlage zu finden, die ihre Bücher für den iranischen Markt zur Verfügung stellen wollen – aber Maryam Ghandehari gibt nicht auf. Als leidenscha­ftliche Litesche, versucht sie immer wieder, Verlage für die Arbeiten junger Illustrato­ren und Schriftste­llerinnen aus dem Iran zu begeistern.

Bücher liefern Antworten

In Oldenburg hat sie die lange Nacht der Geschichte­n mit dem Radiosende­r O1 organisier­t. Und sie setzt sich dafür ein, dass das erfolgreic­he Leseförder­projekt „Büchertürm­e“auch hier realisiert wird. Gemeinsam sollen die Oldenburge­r Grundschul­kinder einen Stapel Bücher lesen, der so hoch wie der Turm der Lambertiki­rche ist.

Warum eigentlich immer Bücher? „In Geschichte­n und Büchern finden wir Antworten auf viele Fragen, etwa wie wir in Frieden miteinande­r leben können“, sagt Maryam Ghandehari. „Und Frieden fängt im Kleinen an, in der Familie, in der Nachbarsch­aft.“

 ?? BILD: Scharvogel ?? Ein Leben mit vielen Büchern: Für die Figuren stand der Buchcharak­ter Wibo Waschbär Pate. Maryam Ghandehari hat iranischen Frauen Videos mit der Anleitung zum Filzen vermittelt. Der Verkauf der Figuren soll den Frauen zu mehr Selbstbest­immung verhelfen.
BILD: Scharvogel Ein Leben mit vielen Büchern: Für die Figuren stand der Buchcharak­ter Wibo Waschbär Pate. Maryam Ghandehari hat iranischen Frauen Videos mit der Anleitung zum Filzen vermittelt. Der Verkauf der Figuren soll den Frauen zu mehr Selbstbest­immung verhelfen.

Newspapers in German

Newspapers from Germany