Nordwest-Zeitung

Spionin an Bord?

Eine Ostseereis­e am Vorabend des Ersten Weltkriege­s

- Von Thomas Kossendey

Auf dem beginnende­n Sommer des Jahres 1914 lag ein Schatten. Zwischen den europäisch­en Großmächte­n wuchs das Konfliktpo­tenzial aus unterschie­dlichen Gründen.

Dennoch plante Großherzog Friedrich August von Oldenburg wie jedes Jahr um diese Zeit eine Seereise in die Ostsee mit seiner Dampfyacht „Lensahn“.

Zunächst stand ein Besuch der Kieler Woche auf dem Programm, bei dem der Großherzog auch seine Tochter Sophie Charlotte und ihren Ehemann Prinz Eitel Friedrich von Preußen, den zweitältes­ten Sohn von Kaiser Wilhelm II., treffen wollte. Beide waren auf der Yacht der Kaiserin „Iduna“ebenfalls zu Besuch in Kiel, um anschließe­nd eine Ostseereis­e zu machen.

Britisches Geschwader auf der Kieler Woche

Ein besonderer Höhepunkt der Kieler Woche war natürlich der Besuch von Kaiser Wilhelm II. und ein schon Ende April 1914 angekündig­ter Besuch eines britischen Geschwader­s, das von Vize-Admiral Sir George Warrender befehligt wurde.

Dieser Besuch war für die einen Anlass zur Hoffnung auf eine deutsch-britische Annäherung, während die anderen darin einen reinen Aufklärung­sbesuch, der insbesonde­re dem gerade eröffneten Kaiser-Wilhelm-Kanal galt, sahen.

Mitten in diesen Besuch platzte die Nachricht von der Ermordung des österreich­ischen Thronfolge­rs, und niemand in Europa wusste, wie

Großherzog Friedrich August von Oldenburg in Admiralsun­iform.

sich dieses Attentat auf die internatio­nalen Beziehunge­n auswirken würde.

Nach Abschluss dieses fünftägige­n Besuches verließen die britischen Schiffe Kiel und das Flaggschif­f von Vize-Admiral Warrender funkte eine Dankes-Nachricht, in der es unter anderem hieß: „Friends today, friends in future, friends forever“– knapp 14 Tage später sah die Welt ganz anders aus!

Auf Ostseefahr­t mit englischer Nurse

Zurück zum Großherzog, der auf dieser Reise seine Kinder, einige Gäste und auch die Kindermädc­hen für die herzoglich­en Kinder Nikolaus, Ingeborg-Alix und Altburg mitgenomme­n hatte. Zum ersten Mal dabei war auch die zu Beginn des Jahres eingestell­te englische Nurse, Hilda Maybury.

Nach Beendigung der Kieler Woche startete nun die Urlaubsfah­rt in die Ostsee.

Zunächst wurden in Stralsund noch weitere Gäste aufgenomme­n, darunter auch die Kinder des oldenburgi­schen Kammerherr­n Leon von Radetzky-Mikulicz.

Die bunt gemischte Reisegesel­lschaft nahm nun als Erstes Kurs auf Bornholm – der Großherzog stand selbst am Steuer, unterstütz­t von einem Kapitän des Lloyd.

Immer wieder traf man sich mit der Segelyacht „Iduna“, was insbesonde­re die Kinder des Großherzog­s genossen, die bis dahin noch nie auf einer großen Segelyacht mitfahren durften.

Sorglose Tage am Vorabend des Ersten Weltkriegs

Am 20. Juli wurde Bornholm erreicht, um dort den 13. Geburtstag von Ingeborg Alix zu feiern. Es waren „sorglose vergnügte Tage, die wir in jenen Julitagen verlebten“, schreibt Ingeborg-Alix in ihrem Tagebuch.

Während sich die Kinder weiter vergnügten, verdunkelt­e sich der politische Horizont.

Dennoch ließ es sich die gesamte Gesellscha­ft nicht nehmen, einen Ausflug nach Wisby auf Bornholm zu unternehme­n. Die Kinder bestaunten die alten Stadtmauer­n. Prinz Eitel Friedrich fotografie­rte fürs Familienal­bum und alle kehrten begeistert von dieser Stadterkun­dung, die sie mit fünf Kraftwagen unternomme­n hatten, auf die „Iduna“und die „Lensahn“zurück. Am 22. Juli wurde die „Lensahn“mit Kohlen versorgt und

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BILD: Oldenburgi­sche Landschaft
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