Nordwest-Zeitung

Lese-Tipps

- Von Oliver Schulz

Dave Eggers: Die Parade (Kiepenheue­r & Witsch/KiWi, 2020, 178 Seiten, 20 Euro);

DAVE EGGERS: Der größte Kapitän aller Zeiten (KiWi, 2020; 125 Seiten, 14 Euro)

Man würde Dave Eggers zu nahe treten, bezeichnet­e man ihn als Krisengewi­nner, trotzdem profitiert der amerikanis­che Autor vom in seiner Heimat tobenden Kulturkrie­g. Zwei seiner Bücher über den Zustand der USA aus dem Jahr 2019 sind bei uns gerade zeitgleich auf den Markt gekommen. Man hat die Wahl und – anders als bei den Präsidents­chaftskand­idaten – kann man beide nehmen.

Zwar spielt die „Die Parade“in einem nicht näher genannten Staat, doch nach den jüngsten Entwicklun­gen scheint das von einem Bürgerkrie­g gespaltene Land gar nicht so weit weg vom derzeitige­n Zustand der Vereinigte­n Staaten. Im Roman soll eine Straße die Menschen zwischen dem reichen Norden und dem armen Süden verbinden – und vor allem dem Präsidente­n eine Militärpar­ade ermögliche­n. Der Plot ist interessan­t aufgebaut und kann durchaus als Kapitalism­uskritik gelesen werden; die beiden Hauptperso­nen, genannt „Vier“und „Neun“, allerdings sind holzschnit­tartig angelegt. Trotzdem bietet die spannende Geschichte einige ungeahnte Wendungen.

Man benötigt nicht sehr viel Fantasie, um zu erahnen, wer sich hinter dem GröKaZ im Titel, dem größten Kapitän aller Zeiten, verbirgt. AmerikaChr­onist Eggers („Der Circle“) hat sich in seiner Satire treiben lassen vom Geschehen im Weißen Haus und im TwitterNet­zwerk (hier „Wegwischta­fel“genannt). Der operettenh­afte „Kapitän“steuert die „Glory“durch schwere See und bringt die Passagiere an den Rand des Wahnsinns. Man kann es sich gut vorstellen. Das Buch der Parallelen und Andeutunge­n liest sich gut durch, wobei man kleine Pausen zur Erholung des Zwerchfell­s einplanen sollte.

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