Nordwest-Zeitung

Spahn hat Fehler gemacht

- Von Andreas Herholz, Büro Berlin

Parteienfo­rscher Jürgen W. Falter hat sich die Bewerbungs­runde für den CDU-Vorsitz angeschaut. So bewertet er das Format – und die Kandidaten.

Erste digitale Bewerbungs­runde der Kandidaten für den CDUVorsitz bei der Jungen Union – wer hat bei dem Wettstreit am meisten überzeugt? Falter: Es gibt keinen klaren Sieger. Über Erwarten gut gepunktet hat Norbert Röttgen. Er war gerade am Anfang rhetorisch sehr stark und hat direkt das junge Publikum der Jungen Union vor den Bildschirm­en angesproch­en. Er hat seine Chancen genutzt. Seine Außenseite­rrolle ist hier vielleicht noch von Vorteil. Wenn aber am Ende auf dem Bundespart­eitag gewählt wird, stimmen ganze Landesverb­ände mehr oder minder geschlosse­n ab. Da hat Armin Laschet als Chef des größten Landesverb­andes NRW wohl trotz allem die meisten Delegierte­n hinter sich.

Wie haben Sie die Aufritte der Kandidaten erlebt? Falter: Diese Bewerbungs­runde war wohltuend, weil keiner dem anderen ins Wort gefallen ist. Die Kandidaten hatten die Chance, kondensier­t zu sagen, welche Schwerpunk­te sie setzen würden, sollten sie gewählt werden. Laschet steht für das „Weiter so“. Er will den Kurs der Mitte fortsetzen und eine Art männliche Angela Merkel werden. Dabei ist er stellenwei­se als der Meister des Unbestimmt­en aufgetrete­n. Merz hat mit seinem Plädoyer für die ökologisch­e Erneuerung der Marktwirts­chaft überrascht und für Generation­engerechti­gkeit geworben. Das war natürlich stark der Audienz, der Jungen Union, geschuldet. Röttgen ist eindeutige­r als die beiden ande

ren als Erneuerer aufgetrete­n. Als CDU-Erneuerer und Politik-Erneuerer. Das kommt beim jungen Publikum im Netz sicher gut an. Röttgen war von den Dreien in meinen Augen in dieser Hinsicht der Originells­te, der am stärksten der Zukunft zugewandte.

Laut Umfragen wünscht sich die Mehrheit Gesundheit­sminister Jens Spahn als CDUChef und CSU-Chef Markus Söder als Kanzlerkan­didaten… Falter: Die beiden genießen derzeit große Beliebthei­t und Zustimmung. So gesehen hat Spahn einen Fehler gemacht. Er tritt mit Laschet im Team an. Wenn Laschet gewählt wird, ist Spahn abhängig von Laschet und bestenfall­s der zweite Mann hinter ihm. Laschet will Kanzlerkan­didat werden. Wäre Spahn angetreten, hätte er bei der jetzigen Stimmungsl­age gute Chancen, zum CDU-Vorsitzend­en gewählt zu werden.

Die JU hat die Runde live gestreamt. Ist das ein politische­s Format der Zukunft? Falter: Das war schon sehr profession­ell. Das Problem war, dass nicht konkret nachgehakt wurde. Da wäre eine Art Kreuzverhö­r durch die Moderatore­n das bessere Format, um in die Tiefe zu gehen.

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Dpa-BILD: Stache

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