Spahn hat Fehler gemacht
Parteienforscher Jürgen W. Falter hat sich die Bewerbungsrunde für den CDU-Vorsitz angeschaut. So bewertet er das Format – und die Kandidaten.
Erste digitale Bewerbungsrunde der Kandidaten für den CDUVorsitz bei der Jungen Union – wer hat bei dem Wettstreit am meisten überzeugt? Falter: Es gibt keinen klaren Sieger. Über Erwarten gut gepunktet hat Norbert Röttgen. Er war gerade am Anfang rhetorisch sehr stark und hat direkt das junge Publikum der Jungen Union vor den Bildschirmen angesprochen. Er hat seine Chancen genutzt. Seine Außenseiterrolle ist hier vielleicht noch von Vorteil. Wenn aber am Ende auf dem Bundesparteitag gewählt wird, stimmen ganze Landesverbände mehr oder minder geschlossen ab. Da hat Armin Laschet als Chef des größten Landesverbandes NRW wohl trotz allem die meisten Delegierten hinter sich.
Wie haben Sie die Aufritte der Kandidaten erlebt? Falter: Diese Bewerbungsrunde war wohltuend, weil keiner dem anderen ins Wort gefallen ist. Die Kandidaten hatten die Chance, kondensiert zu sagen, welche Schwerpunkte sie setzen würden, sollten sie gewählt werden. Laschet steht für das „Weiter so“. Er will den Kurs der Mitte fortsetzen und eine Art männliche Angela Merkel werden. Dabei ist er stellenweise als der Meister des Unbestimmten aufgetreten. Merz hat mit seinem Plädoyer für die ökologische Erneuerung der Marktwirtschaft überrascht und für Generationengerechtigkeit geworben. Das war natürlich stark der Audienz, der Jungen Union, geschuldet. Röttgen ist eindeutiger als die beiden ande
ren als Erneuerer aufgetreten. Als CDU-Erneuerer und Politik-Erneuerer. Das kommt beim jungen Publikum im Netz sicher gut an. Röttgen war von den Dreien in meinen Augen in dieser Hinsicht der Originellste, der am stärksten der Zukunft zugewandte.
Laut Umfragen wünscht sich die Mehrheit Gesundheitsminister Jens Spahn als CDUChef und CSU-Chef Markus Söder als Kanzlerkandidaten… Falter: Die beiden genießen derzeit große Beliebtheit und Zustimmung. So gesehen hat Spahn einen Fehler gemacht. Er tritt mit Laschet im Team an. Wenn Laschet gewählt wird, ist Spahn abhängig von Laschet und bestenfalls der zweite Mann hinter ihm. Laschet will Kanzlerkandidat werden. Wäre Spahn angetreten, hätte er bei der jetzigen Stimmungslage gute Chancen, zum CDU-Vorsitzenden gewählt zu werden.
Die JU hat die Runde live gestreamt. Ist das ein politisches Format der Zukunft? Falter: Das war schon sehr professionell. Das Problem war, dass nicht konkret nachgehakt wurde. Da wäre eine Art Kreuzverhör durch die Moderatoren das bessere Format, um in die Tiefe zu gehen.