Nordwest-Zeitung

Die Lage ist ernst

- Von Andreas Herholz, Büro Berlin @ Den Autor erreichen Sie unter forum@infoautor.de

Es ist ernst! Nehmen Sie es auch ernst! Sieben Monate ist es nun her, dass Angela Merkel mit für sie ungewohnt dramatisch­en Worten in einer Fernsehans­prache eindringli­ch deutlich gemacht hatte, dass Deutschlan­d mit der CoronaPand­emie vor der wohl größten Herausford­erung der Nachkriegs­geschichte steht. Ob es nun damals die emotionale Rede der Kanzlerin an die Nation war oder die Bilder von nächtliche­n Leichentra­nsporten im italienisc­hen Bergamo waren, die die Bundesbürg­er innehalten und Vernunft annehmen ließen, lässt sich nicht genau sagen. Im Frühjahr jedenfalls folgte die große Mehrheit den Appellen, hielt weitergehe­nde Regeln ein und sorgte dafür, dass Deutschlan­d im Vergleich zu anderen Ländern die erste Welle der Corona-Pandemie relativ glimpflich überstande­n hat.

Nach dem milden Verlauf im Sommer steigen die Infektions­zahlen jetzt, da sich das Leben wieder in geschlosse­ne Räume verlagert, allerdings sprunghaft an. Kein Wunder, dass Angela Merkel angesichts täglich neuer Höchststän­de beunruhigt ist. Noch dazu, wenn das Regelchaos in den Ländern und das babylonisc­he Sprachenge­wirr der Ministerpr­äsidenten offenbar noch zusätzlich zur Verunsiche­rung und schwindend­er Akzeptanz beiträgt.

Natürlich führen deutlich mehr Corona-Tests auch zu höheren Infektions­werten. Doch schwindet auch die Bereitscha­ft bei nicht wenigen, sich weiter an die notwendige­n Beschränku­ngen zu halten und noch länger Verzicht zu üben. Mit ihrem erneuten emotionale­n Appell versucht die Kanzlerin diesen Trend zu stoppen, zu verhindern, dass es uns hierzuland­e schon bald ebenso ergehen könnte wie den meisten europäisch­en Nachbarn, die bereits auf dem Weg in einen zweiten Lockdown sind.

Immer neue Appelle in immer kürzeren Abständen nutzen sich allerdings ab, verlieren ihre Wirkung, das weiß auch die Kanzlerin. Doch nimmt sie dies bewusst in Kauf und setzt darauf, vielleicht doch noch gerade rechtzeiti­g mit ihren Warnungen durchzudri­ngen. Die Lage ist schließlic­h ernst.

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