Die Lage ist ernst
Es ist ernst! Nehmen Sie es auch ernst! Sieben Monate ist es nun her, dass Angela Merkel mit für sie ungewohnt dramatischen Worten in einer Fernsehansprache eindringlich deutlich gemacht hatte, dass Deutschland mit der CoronaPandemie vor der wohl größten Herausforderung der Nachkriegsgeschichte steht. Ob es nun damals die emotionale Rede der Kanzlerin an die Nation war oder die Bilder von nächtlichen Leichentransporten im italienischen Bergamo waren, die die Bundesbürger innehalten und Vernunft annehmen ließen, lässt sich nicht genau sagen. Im Frühjahr jedenfalls folgte die große Mehrheit den Appellen, hielt weitergehende Regeln ein und sorgte dafür, dass Deutschland im Vergleich zu anderen Ländern die erste Welle der Corona-Pandemie relativ glimpflich überstanden hat.
Nach dem milden Verlauf im Sommer steigen die Infektionszahlen jetzt, da sich das Leben wieder in geschlossene Räume verlagert, allerdings sprunghaft an. Kein Wunder, dass Angela Merkel angesichts täglich neuer Höchststände beunruhigt ist. Noch dazu, wenn das Regelchaos in den Ländern und das babylonische Sprachengewirr der Ministerpräsidenten offenbar noch zusätzlich zur Verunsicherung und schwindender Akzeptanz beiträgt.
Natürlich führen deutlich mehr Corona-Tests auch zu höheren Infektionswerten. Doch schwindet auch die Bereitschaft bei nicht wenigen, sich weiter an die notwendigen Beschränkungen zu halten und noch länger Verzicht zu üben. Mit ihrem erneuten emotionalen Appell versucht die Kanzlerin diesen Trend zu stoppen, zu verhindern, dass es uns hierzulande schon bald ebenso ergehen könnte wie den meisten europäischen Nachbarn, die bereits auf dem Weg in einen zweiten Lockdown sind.
Immer neue Appelle in immer kürzeren Abständen nutzen sich allerdings ab, verlieren ihre Wirkung, das weiß auch die Kanzlerin. Doch nimmt sie dies bewusst in Kauf und setzt darauf, vielleicht doch noch gerade rechtzeitig mit ihren Warnungen durchzudringen. Die Lage ist schließlich ernst.