Nordwest-Zeitung

Trump setzt alles auf eine Karte

- Von Andreas Herholz, Büro Berlin

Der Demokrat John Kornblum (77) war von 1997 bis 2001 USBotschaf­ter in Deutschlan­d. Der pensionier­te Diplomat mit deutschen Vorfahren lebt in Berlin – und blickt mit Sorge in seine Heimat.

Herr Kornblum, nach seiner Corona-Infektion ist US-Präsident Donald Trump wieder zurück im Wahlkampf. Schadet ihm die Erkrankung und sein Umgang damit oder hilft sie ihm am Ende sogar?

Kornblum: Das lässt sich im Moment noch nicht sagen. Er wird seine Corona-Infektion und die schnelle Genesung zumindest ausnutzen wollen. Trump befindet sich aktuell inzwischen in einer nicht sehr vorteilhaf­ten Lage. Die Meinungsum­fragen sehen Joe Biden fast überall vorn. Trump liegt zurück und ist in der Defensive. Er macht zumindest den Eindruck, als habe er sich schnell wieder von der Corona-Infektion erholt. Trump gibt den starken Präsidente­n, der sich durchboxt und dem selbst Corona nichts anhaben kann. Er spielt alles oder nichts, setzt alles auf eine Karte.

Aber scheinbar ohne großen Erfolg…

Kornblum: Die Meinungsum­fragen scheinen zu bestätigen, dass er mit seinen Botschafte­n nicht mehr ankommt. Aber es wäre falsch, ihn bereits abzuschrei­ben. Die Medien und politische Berater sind alle noch vorsichtig. Schließlic­h hatte man ihn bei der letzten Wahl auch bereits als Verlierer gesehen und unterschät­zt. Am Ende hat er gewonnen und nicht Hillary Clinton. Das Rennen ist nicht gelaufen. Aber Trump liegt deutlich zurück und wird es schwer haben, dies noch aufzuholen. Er verliert sehr stark bei Wählergrup­pen, die er beim letzten Mal für sich gewonnen hat. Vor allem die älteren Menschen, die wegen Corona besorgt sind.

Nicht nur Trump, sondern auch sein Vizepräsid­ent Mike Pence haben die Antwort auf die Frage offengelas­sen, ob sie die Wahl auf jeden Fall anerkennen werden. Drohen in den USA Ausschreit­ungen, wenn Trump verlieren sollte? Kornblum: Das weiß man nicht genau. Man kann nicht wissen, was Trump tun würde und wie er reagiert. Wenn er die Wahl verliert, ist der Rest seines Lebens sehr unangenehm. Ihm drohen etliche Prozesse und wirtschaft­liche Probleme. Sein Ruf wäre endgültig ruiniert. Wenn er verliert, wird er rücksichts­los sein. Trump ist toxisch und satanisch kreativ. Aber nichts ist entschiede­n.

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Dpa-BILD: Carstensen

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