Der große Hit im Kleinen Haus
Nils Braun stellt „Zarah 47“auf Bühne – 90 Minuten Handlung und Gefühle unter Spannung
Oldenburg – Große Karrieren gibt es oft nicht ohne Risiken und Nebenwirkungen. Doch Beipackzettel für den sauberen Gebrauch von Giftstoffen existieren selten. Auch Zarah Leander (1907 – 1981) fand keinen vor. Oder die Schauspielerin und Sängerin-Legende hat es vermieden, einen zu lesen. Die Schwedin hat im nationalsozialistischen Deutschland von 1936 bis 1942 riesige Erfolge gefeiert, ganz im eigenen Sinne – und eben auch in dem des Regimes.
Schillerndes Leben
Peter Lund komprimierte 1993 das schillernde Leben der Leander zu einem solistischen Musical: „Zarah 47“. Ins Kleine Haus des Oldenburgischen Staatstheaters hat es Regisseur Nils Braun optisch ebenso großformatig wie intim gestellt. Mezzosopranistin Melanie Lang nutzt die Herausforderung zu ihrer bisher wohl faszinierendsten großen Rollendarstellung nach schon etlichen herausragenden.
Unbedingt zum großen Hit im Kleinen Haus gehört der Pianist und musikalische Leiter Kei Sugaya. Der Korrepetitor ist Improvisator, Antreiber, frischer Ideengeber, ein Mitgestalter tiefer Gefühle durch und durch.
Paraderolle für Lang
War die Leander die Künstlerin, die sich nur ihrer Kunst hingab? War sie wirklich „unpolitisch“, wie sie selbst betonte? Sie hat ihre Vita nicht gefälscht wie Kollegen, die nach dem Krieg ihre Karrieren ungerührt fortgesetzt haben. Im Stück sitzt sie 1947, daher der Titel „Zarah 47“, in ihrem Landhaus bei Stockholm.
Deutschland hatte sie als höchstbezahlter Filmstar verlassen
und war mit Auftrittsverbot belegt. Die Schweden ächteten sie nach der Rückkehr. „Ich habe doch für Geld gesungen. Ha! Nicht für eine Gesinnung.“So lautet ihr Resümee.
Es ist eine Paraderolle für Melanie Lang. Sie füllt sie stimmlich ebenso aus wie sprachlich mit feinen Zwischentönen von ironischen Anflügen, frecher Aufmüpfigkeit bis zu nie peinlicher Sentimentalität.
Die tiefe, fast an die Baritonlage heranreichende Stimme der Vorlage imitiert sie nie. Auch das rollende „R“lässt sie außen vor. Zudem führt sie leicht mehr Vibrato in der Stimme.
Melanie Lang singt Zarah Leander – das ist inmitten aller Schlager der Schlager von „Zarah 47“. Nie bricht in den 90 Minuten die Spannung ein. Szenenbeifall begleitet die Vorträge und Gestaltungen,
von „Kann denn Liebe Sünde sein“, „Ich bin eine Frau, die weiß, was sie will“, „Der Wind hat mir ein Lied erzählt“, und stark berührend „Ich hab‘ eine tiefe Sehnsucht in mir.“
Auf die Bühne schieben sich Leinwände mit Filmszenen. Aber es bleiben Nischen für einen einfachen Sessel oder ein Rundfunk-Mikrofon. Raumfüllend baumeln dann in Reihen übereinander knall bunte Kleider, die Zarah bei
ihren größten Erfolge getragen hat. In einige hüllt sie sich. In einem nur vom Pianisten gestalteten Intermezzo erscheinen auf einer Gazewand Namen von Komponisten, die als entartet gebrandmarkt waren, von Paul Abraham bis Alexander von Zemlinsky. Dann verschwindet ein Name nach dem anderen und wird durch „Emigriert“ersetzt. Das rüttelt auf – wie einiges an diesem Abend.