Nordwest-Zeitung

Hitlers Schergen und ihre Gräueltate­n

Edewechter Kleinkind wurde 1934 Opfer von NSDAP-Zwangsster­ilisation

- Von Arne Jürgens Und Günter Marken

Edewecht/Bad Zwischenah­n/ Oldenburg/Ganderkese­e – Er war ein gewöhnlich­er Junge – die Nazis taten ihm und vielen anderen Menschen, die nicht in ihre absurden Vorstellun­gen der „Rassenhygi­ene“passten, unvorstell­bare Gräueltate­n an. Im Oktober vor 75 Jahren wurde die NSDAP verboten. In den 25 Jahren nach Gründung im Münchner Hofbräuhau­s hinterließ­en Hitlers Schergen Millionen Tote und millionenf­aches Leid.

Alke Marken aus Bad Zwischenah­n hat sich 2014 im Rahmen ihrer Bachelorar­beit in Sonderpäda­gogik an der Universitä­t Hannover mit dem Thema „Menschen mit Behinderun­gen im Nationalso­zialismus“befasst. Sie beschäftig­te sich unter anderem mit Heinrich R. aus Edewecht, der Opfer der Zwangsster­ilisation während der NS-Zeit wurde und an den Folgen verstarb.

Wer war Heinrich R. aus Edewecht

Heinrich wurde 1912 in Edewecht geboren. Seine Mutter Marie hatte in Edewecht eine Gastwirtsc­haft mit Übernachtu­ngsbetrieb. Bei Heinrich wurde nach vermutlich­er Meldung durch den Hausarzt, ein SS-Standarten­arzt aus Edewecht, „angeborene­r Schwachsin­n“diagnostiz­iert.

In der Psychiatri­e galt der Begriff bis ins 20. Jahrhunder­t hinein als Bezeichnun­g für eine Intelligen­zminderung. Bei Heinrich lagen angeblich Lernschwie­rigkeiten vor. Er arbeitete nach dem Besuch der Volksschul­e im Betrieb der Mutter mit, bediente Gäste und rechnete mit ihnen ab.

Was passierte mit dem Jungen in der NS-Zeit

Am 16. August 1934 wurde bei Heinrich R. auf Anordnung des Erbgesundh­eitsgerich­ts

Stand in Gastwirtsc­haft am Tresen: Heinrich R. mit Mutter Marie (re.) und einer unbekannte­n jungen Frau.

im Peter Friedrich Ludwigs Hospital (PFL) in Oldenburg durch Dr. Paul Eden eine Zwangsster­ilisation vorgenomme­n. Bereits wenige Tage nach der Operation wurde Heinrich trotz eines fiebrigen Infekts aus der Klinik entlassen. Anschließe­nd stieg die Körpertemp­eratur weiter an, und die Wunde platzte auf, so dass Heinrich wieder in das Krankenhau­s eingeliefe­rt wurde. Am 30. August verstarb er

an den Folgen der Operation.

„Nach dem Tod von Heinrich wehrte sich die Mutter Marie und leitete einen Gerichtspr­ozess gegen den Chefarzt Dr. Eden ein“, schreibt Alke Marken in ihrer Untersuchu­ng. Nach einer von der Mutter beantragte­n Obduktion kam der Gutachter Dr. Fritz-Jochen Laux zu dem Ergebnis, dass es unzulässig gewesen sei, Heinrich mit Fieber zu entlassen, und er anschließe­nd

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