Gasflaschen weckten Erinnerung
Ofenerdiek/lr – Hanna Seipelt (68) wurde in Oldenburg geboren und wuchs an der Huntestraße am Hafen auf. Die Familie der Buchautorin kam nach dem Krieg in die Stadt. Sie erzählt: „Meine Eltern und großen Schwestern lebten bis 1939 in Mannheim. Weihnachten 1939 zogen sie nach Elbing, Westpreußen, von wo aus sie flohen (...) Mein Vater wurde im März 1945 noch zum Volkssturm eingezogen, geriet in Kriegsgefangenschaft und fand uns alle erst mehrere Jahre später in Oldenburg wieder.
Wir waren dort zunächst in der Huntestraße einquartiert worden und konnten dann nach Tod des Hausbesitzers dessen Wohnung beziehen. Die Nachkriegszeit war hart für die Familie, über das, was auf der Flucht und in der Kriegsgefangenschaft erlebt wurde, wurde so gut wie nicht gesprochen.
Wie tief die Schrecken, und damit einhergehend die Ängste jedoch in unseren Eltern und großen Schwestern verankert waren, wurde bei einem Ereignis viele, viele Jahre später deutlich. Es war am Abend
des 18. Juni 1959 als plötzlich Sirenen-Alarm ertönte. (...) Es ging einem durch Mark und Bein und tief im Unterbewusstsein vergrabene Ängste wurden dadurch aktiviert. (...)
An diesem Abend im Jahr 1959 konnte es ja auf keinen Fall ein Probealarm sein. Die Eltern hörten die Sirenen und reagierten sofort mit Panik. (...) „Mein Gott, mein Gott, die Russen kommen!“rief die Mutter voll Schrecken. „Wir müssen verdunkeln – löscht das Licht!“so reagierte unser Vater. Er rannte, die Rollos vor den Fenstern herunterzuziehen. Wir Kinder eilten, alle Lampen zu löschen. (...) Man hörte derweil draußen pausenlos Detonationen.
Unsere Familie besaß ein Radio. Im Radio lief jedoch eine Musiksendung; kein Sprecher berichtete von einem plötzlichen Angriff. Mein Vater beschloss nun, sich kurz auf die Straße zu wagen. Es dauerte jedoch nicht lange und eine Nachricht lief wie ein Lauffeuer von Mund zu Mund: „Es ist ein Großfeuer in der Spedition Deus ausgebrochen, dort gelagerte Gasflaschen explodieren!“(...)