Nordwest-Zeitung

Mehr als 50 Kinder in einer Schulklass­e

Tafel, Griffel, Stifte und Hefte zunächst Mangelware

- Von Karl-Heinz Bonk

Bloherfeld­e/Haarentor – Das war für uns Schüler damals zunächst ein schönes Gefühl. Nach dem Ende des Kriegs genossen wir die Freiheit und die zunächst ungewohnte Ruhe ganz ohne Bombenalar­m und Geschützdo­nner.

Der Sommer 1945 schritt voran und dann hieß es auf einmal: Die Schule geht wieder los. Unsere Mutter versorgte uns mit heiler Kleidung. Schon das war nicht so selbstvers­tändlich. Sie nähte, stopfte, flickte, aber zum neuen Schulbegin­n standen wir gut da. Ich hatte sogar einen schönen Schulranze­n und eine Schieferta­fel. Das war nicht selbstvers­tändlich, vieles war nur unter der Hand zu bekommen oder im Tauschhand­el. Tafel, Griffel, Stifte und Hefte gab es zunächst nicht zu kaufen. Auf dem Schwarzmar­kt kostete ein Griffel eine Menge. Ein Heft ließ sich nur beschaffen, wenn man dafür im Tausch 200 Gramm Altpapier ablieferte.

Meine Schule befand sich an der Hauptstraß­e in Eversten. Gegründet 1872/1901 war sie schon damals in die Jahre gekommen und war unzer

geblieben. Stolz betraten wir jetzt den Schulhof, wo uns die alten Laubbäume begrüßten. Rektor Karl Hartjen schaffte es ganz fix, die große Schüler-Zahl in Klassenstä­rken zu ordnen. Jetzt nach dem Kriege waren es wesentlich mehr Schüler als vorher... Zu unserer alten Klasse waren jetzt viele Flüchtling­s- und Vertrieben­enkinder dazu gekommen.

In den Klassen gab es zunächst Platz-Probleme. Die Klassenstä­rke überschrit­t die

50 und es mussten Zweit- und Drittklass­en eingericht­et werden. Später folgte dann noch der Schichtunt­erricht. Auch wir mussten nun oft nachmittag­s zur Schule kommen.

„Und du willst ein Deutscher sein?“herrschte ein älterer Lehrer einen Schüler an, der ihm in seiner schlesisch­en Mundart geantworte­t hatte. Doch dieses Problem löste sich ganz schnell von selbst. Viel problemati­scher war es, dass eine ganze Reihe Schüler in sehr schlechter Kleidung erstört schienen war, was ganz besonders das Schuhwerk betraf. Wir hatten von Zuhause her Holzschuhe oder Sandalen, doch manche der neuen Schüler trugen Lappen an den Füßen oder kaputte Strümpfe oder waren einfach barfuß erschienen.

(...) In der Klasse saßen wir ziemlich eng auf den alten Bänken aus Holz. Auf den Pultoberfl­ächen entdeckten wir überall alte Einritzung­en. An der oberen Kante des Pults befand sich ein Tintenfass, aber erst später auch Tinte. (...)

An einer Seite des Raums stand ein großer Kanonenofe­n. Der wurde noch zum Problem, denn als es draußen kälter wurde, konnte der nicht beheizt werden, denn es gab kein Brennmater­ial. Wir Schüler wurden gebeten, etwas Brennbares mitzubring­en. Für daheim hatten wir Torf als Brennstoff, den wir aus Petersfehn bekamen. So manchen Torfsoden habe ich damals mit zur Schule getragen. (...) Einmal in der Woche gab es Sport, der anfangs aber nur auf dem Schulhof stattfand. Erst später nutzten wir auch die Jahnwiese an der Hauptstraß­e und nur einmal die alte Turnhalle am Hoyersgang.

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BILD: privat Rückblick: In diesem Kameradsch­aftsheim der NSDAP in der Haarennied­erung spielten später Kinder.

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