Von wegen Einigkeit
Zu verantworten ist es bei den weltweit steigenden Infektionszahlen eigentlich nicht, aber: In dieser Woche beginnt der Europapokal. Das heißt: Fußball-Trosse reisen Woche für Woche quer über den Kontinent. Bayern München, aus einer deutschen Hotspot-Stadt, empfängt zum Beispiel Atlético Madrid – die spanische Hauptstadt ist seit Anfang Oktober vom Rest des Landes abgeschottet, weil sie ein Risikogebiet ist. Manchester United tritt bei Paris Saint-Germain an und reist damit in ein Land mit aktuell knapp 20000 neuen Corona-Fällen pro Tag sowie in eine Stadt, in der eine nächtliche Ausgangssperre ab 21 Uhr gilt. Anpfiff der Partie: 21 Uhr. Das sind nur zwei Beispiele von etlichen.
Der Fußball und seine Sonderrolle rücken in Zeiten der zweiten Welle wieder mehr in den Mittelpunkt. Bisher haben es Verbände und Vereine mit aufwendigen Hygienekonzepten und viel Disziplin geschafft, ein gutes Bild abzugeben und so den finanziell für viele Clubs überlebenswichtigen Spielbetrieb aufrechtzuerhalten. Der Fußball ist in dieser Zeit ein Stück weit demütiger aufgetreten, er hat Einigkeit demonstriert, was ihm gut getan hat.
Jetzt aber beginnen schon wieder die ersten Interessenkonflikte, bei denen der viel beschworene Zusammenhalt in den schwierigen Zeiten ganz schnell vergessen ist. Denn bei den Führungsköpfen einiger deutscher Vereine klang an diesem Wochenende durch: Europapokal-Reisen ins Risikogebiet sind in Ordnung, aber die anstehenden Länderspieltrips im November sind wegen der Corona-Lage doch zu gefährlich.
Der Hintergrund ist klar: Die Belastung der Profis in den nächsten Wochen ist enorm, die Gefahr, dass sich Leistungsträger wie nun Hoffenheims Andrej Kramaric auf den Reisen infizieren, ist groß. Dass die Verbände mit der Verlegung der EM auf das Jahr 2021 einen großen Teil dazu beigetragen haben, dass die jeweiligen Ligen im Sommer zu Ende gespielt werden konnten, wird da rasch verdrängt. Von wegen Einigkeit! @ Den Autor erreichen Sie unter Blancke@infoautor.de