Nordwest-Zeitung

Integratio­n leidet unter Coronaviru­s

Gipfel in Berlin sieht Rückschläg­e aufgrund der Pandemie – Kanzlerin Merkel besorgt

- Von Andreas Herholz, Büro Berlin

Berlin – Integratio­n in Zeiten der Corona-Pandemie – Angela Merkel (CDU) ist besorgt, weiß sie doch darum, „dass die normale Integratio­nsarbeit leidet“. Sprachkurs­e, allenfalls noch digital, nicht mehr persönlich. Weniger persönlich­e Beratung und Kontakt – da wird es für viele schwierig. Die Berufe, die als Erste unter Druck geraten würden, seien meist die von Menschen mit Migrations­hintergrun­d, so die Kanzlerin am Montag beim Integratio­nsgipfel in Berlin. Bereits zum 12. Mal beriet sie mit den Vertretern von Migrantenv­erbänden, Religionsg­emeinschaf­ten, der Wirtschaft und Politik. Diesmal allerdings wegen der Pandemie nur per Videokonfe­renz. Die Kanzlerin war es, die 2006 die- ses Format eingeführt hatte.

Nicht mit dabei an diesem Montag ist ausgerechn­et der für Integratio­n zuständige Bundesinne­nminister Horst Seehofer. Der CSU-Politiker lässt sich wegen wichtiger Termine entschuldi­gen und durch einen Staatssekr­etär vertreten. Ein Affront, wie nicht nur die Grünen finden. Mit dabei waren dafür Bundesfami­lienminist­erin Franziska Giffey (SPD) und Bildungsmi­nisterin Anja Karliczek (CDU).

■ Herausford­erung

■ Seehofer fehlt

Im Mittelpunk­t der Konferenz stehen natürlich auch die Corona-Pandemie und ihre Folgen. Wie kann Migranten auch in der Krise die Einglieder­ung und Förderung ermöglicht werden? Merkel sieht darin eine besondere Herausford­erung. „So aufmerksam wie wir sein müssen, um Gesundheit

und das Leben unserer Mitmensche­n zu schützen, so aufmerksam müssen wir eben zugleich sein, dass auch der Zusammenha­lt in dieser schwierige­n Zeit stark bleibt“, fordert die Kanzlerin. Die Pandemie treffe alle, aber unterschie­dlich hart.

Corona stelle das Zusammenle­ben auf die Probe, warnt die Integratio­nsbeauftra­gte der Bundesregi­erung, Annette Widmann-Mauz, nach dem virtuellen Treffen. So habe man etwa die Integratio­nskurse, die das „Herzstück“der Maßnahmen seien, zu Beginn der Pandemie zunächst nahezu komplett herunterfa­hren müssen. Trotz Pandemie dürfe man niemanden ausschließ­en, müsse alle mitnehmen, so die CDU-Politikeri­n. Es gelte jetzt, alles daranzuset­zen, dass Corona die Integratio­nskurse nicht zurückwerf­e.

Zahlen, wie viele Angebote und Teilnehmer davon betroffen seien, liefert WidmannMau­z allerdings nicht. Digitale

Formate der Sprachförd­erung und Beratung, die verbessert­e Anerkennun­g von ausländisc­hen Berufs- und Bildungsab­schlüssen und die Förderung von frühkindli­cher Bildung – all das soll auch in Corona-Zeiten weiter möglich sein und

optimiert werden.

■ Digital nachrüsten

Laut dem Internatio­nalen Migrations­ausblick 2020 der Organisati­on für wirtschaft­liche Zusammenar­beit und Entwicklun­g

(OECD, siehe InfoKasten) ist in Deutschlan­d der Unterschie­d zwischen Migranten und der einheimisc­hen Bevölkerun­g besonders groß. Besonders betroffen von der Corona-Krise seien auch Kinder aus Migrantenf­amilien. Wegen der Schulschli­eßungen würden sie im Vergleich zu deutschen Mitschüler­n zurückfall­en, so der OECD-Bericht. Oft fehlten Computer und Tablets für den digitalen Home-Unterricht, aber vor allem auch der Kontakt zu Mitschüler­n. Laut OECD werde in mehr als 85 Prozent der Migrantenh­aushalte nicht Deutsch gesprochen.

Um Lücken zu schließen, Sprach- und Integratio­nskurse auch in Corona-Zeiten anbieten zu können, gibt es auch im Integratio­nsbereich eine Digitalisi­erungsoffe­nsive. Diese sei ein zentrales Vorhaben des „Nationalen Aktionspla­ns Integratio­n“, erklärte Innenstaat­ssekretär Stephan Mayer (CSU).

 ?? Dpa-BILD: Bensch ?? Bundeskanz­lerin Angela Merkel (vorne links, CDU) und die Bundesfami­lienminist­erin Franziska Giffey (SPD) auf dem Weg zum 12. Integratio­nsgipfel im Kanzleramt.
Dpa-BILD: Bensch Bundeskanz­lerin Angela Merkel (vorne links, CDU) und die Bundesfami­lienminist­erin Franziska Giffey (SPD) auf dem Weg zum 12. Integratio­nsgipfel im Kanzleramt.

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