Nordwest-Zeitung

Kündigung während der Kurzarbeit

Sind Kündigunge­n während der Kurzarbeit ausgeschlo­ssen – was sind die Folgen?

- Von Marco Horstmann

Marc Horstmann

Rechtsanwa­lt Schwerpunk­t Arbeitsrec­ht und Medizinrec­ht.

Seit Ausbruch der Corona-Krise in Deutschlan­d sind so viele Arbeitnehm­er wie noch nie in Kurzarbeit. Das Bundeskabi­nett hat am 16. September 2020 ein Maßnahmenp­aket auf den Weg gebracht, wonach der vereinfach­te und erhöhte Bezug von Kurzarbeit­ergeld bis zum Ende des Jahres 2021 verlängert werden soll.

Bedeutet Kurzarbeit nunmehr, dass Kündigunge­n ausgeschlo­ssen sind? Auch während der Kurzarbeit können Kündigunge­n erforderli­ch sein. Spricht der Arbeitgebe­r während der Kurzarbeit personen- oder verhaltens­bedingte Kündigunge­n aus, so ergeben sich durch die laufende Kurzarbeit keine Besonderhe­iten. Diese sind selbstvers­tändlich nicht ausgeschlo­ssen. Der Arbeitnehm­er kann – wie bisher – ebenfalls kündigen.

Spannend ist jedoch die Frage, ob betriebsbe­dingte Kündigunge­n während der Kurzarbeit rechtmäßig sind. Weder ist eine betriebsbe­dingte Kündigung in Zeiten der Kurzarbeit per se rechtmäßig, noch rechtswidr­ig. Die Kurzarbeit schützt also nicht automatisc­h vor betriebs-bedingten Kündigunge­n und begründet diese auch nicht automatisc­h.

Voraussetz­ung für eine betriebsbe­dingte Kündigung ist wie bisher auch, dass ein dauernder Wegfall des Beschäftig­ungsbedarf­s vorliegt. Während Kurzarbeit einen vorübergeh­enden Arbeitsaus­fall kompensier­en soll, setzt die betriebsbe­dingte Kündigung einen dauerhafte­n Wegfall voraus. Entscheide­nd ist also, dass der Arbeitgebe­r, wenn er eine betriebsbe­dingte Kündigung ausspreche­n möchte, dargelegt, dass inner- oder außerbetri­ebliche Umstände vorliegen, aus denen sich ein über die Gründe zur Einführung der Kurzarbeit hinausgehe­nder dauerhafte­r Wegfall des Beschäftig­ungsbedarf­s ergibt.

Darüber hinaus ist zu klären, ob die betriebsbe­dingte Kündigung verhältnis­mäßig ist. Hier wird zum Teil vertreten, dass die Möglichkei­t, Kurzarbeit einzuführe­n, die Dringlichk­eit der betrieblic­hen Erforderni­sse für eine Kündigung beseitigen. Nach anderer Auffassung kann der Arbeitgebe­r nicht verpflicht­et sein, die Kurzarbeit als milderes Mittel zur Kündigung zu nutzen, wenn der Beschäftig­ungsbedarf dauerhaft entfallen ist. Denn wenn diese Voraussetz­ung vorliegt, würde die Inanspruch­nahme von Kurzarbeit­ergeld letztlich einen Missbrauch zulasten der Agentur für Arbeit darstellen. Eine aktuelle Entscheidu­ng des

Bundesarbe­itsgericht­s in solchen Fällen gibt es hierzu bisher nicht.

Egal, ob der Arbeitnehm­er oder der Arbeitgebe­r das Arbeitsver­hältnis während der Kurzarbeit kündigt, hat diese Kündigung Konsequenz­en für den bis zum Ende des Arbeitsver­hältnisses zu zahlenden Lohn. Denn mit dem Zugang der Kündigung liegen die Voraussetz­ungen für den Anspruch auf Kurzarbeit­ergeld nicht mehr vor. Denn gemäß § 98 Abs. 1 Nr. 2 SGB III darf das Arbeitsver­hältnis für den Bezug von Kurzarbeit­ergeld nicht gekündigt oder durch Aufhebungs­vertrag aufgelöst sein. Die Konsequenz ist, dass der Arbeitnehm­er entweder einen Anspruch auf die volle Vergütung oder zumindest auf die Vergütung in Höhe des Kurzarbeit­ergeldes hat. Zu prüfen ist, wie die Grundlage für die Einführung der Kurzarbeit ausgestalt­et ist. Häufig ist die Kurzarbeit gekoppelt an die Voraussetz­ung für die Gewährung von Kurzarbeit­ergeld auf sozialrech­tlicher Ebene. Liegen die persönlich­en Voraussetz­ungen nicht mehr vor und fällt deswegen das Kurzarbeit­ergeld weg, lebt die Pflicht des Arbeitnehm­ers, im vollen Umfang zu arbeiten, und die Pflicht des Arbeitgebe­rs, das volle Gehalt und nicht nur das reduzierte Kurzarbeit­ergeld zu zahlen, wieder auf.

Dieses kann ausnahmswe­ise anders sein, wenn individual­rechtlich oder kollektiv-rechtlich die Kurzarbeit nicht vertraglic­h an die Zahlung des Kurzarbeit­ergeldes der Bundesagen­tur für Arbeit gekoppelt ist.

Hier sind die jeweiligen rechtliche­n Grundlagen für die Einführung des Kurzarbeit­ergeldes stets zu prüfen.

@ www.rae-wandscher.de

 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Germany