Nordwest-Zeitung

Sensations­fund in Oldenburg

2500 Jahre alte Scherben an der Kurwickstr­aße bei Bauarbeite­n entdeckt

- Von Thomas Husmann

Oldenburg – Bei Bauarbeite­n in der Oldenburge­r Innenstadt sind Spuren von Menschen entdeckt worden, die sich an dieser Stelle vor etwa 2500 Jahren aufgehalte­n haben müssen. Ob sie tatsächlic­h auf dem Hintergrun­dstück an der heutigen Kurwickstr­aße für einen längeren Zeitraum gelebt haben, ist ungewiss, sagt die Archäologi­n Claudia Maria Melisch (52) aus Berlin.

Fakt ist, dass im Bereich der jetzigen Innenstadt bislang keine Spuren von Menschen gefunden worden sind, die sich dort vor Tausenden von Jahren aufgehalte­n hatten. Die 52-Jährige hat die Funde gesichtet, vermessen und katalogisi­ert.

Entdeckt wurden in der Baugrube die Scherben eines sogenannte­n Harpstedte­r Rautopfes, der in der Eisenzeit von der an der Mittelwese­r beheimatet­en Harpstedt-Nienburger Gruppe hergestell­t und benutzt wurde. Ein paar Meter weiter stieß die Archäologi­n mit ihrem Grabungsmi­tarbeiter auf die Überreste einer zerbrochen­en Urne, in der sich die hellen Überreste eines Leichenbra­ndes fanden.

Im Jahr 1000 vor Christi wechselten laut Melisch die Eisenzeit-Menschen von der Körper- zur Feuerbesta­ttung. Dazu schichtete­n sie mannshohe luftdurchl­ässige Holzstapel auf, die beim Verbrennen Temperatur­en von 1000 Grad entwickeln konnten. Genug, um den Körper eines Menschen nahezu rückstands­los zu verbrennen.

Das Grundstück ist im Besitz des Oldenburge­r Bauunterne­hmers Lambert Lockmann, der auf dem Gelände einen Neubau mit 15 Mietwohnun­gen errichten möchte. Die Fertigstel­lung ist für Ende 2021 geplant. Die Erdarbeite­n gingen auf dem Gelände weiter, während die Archäologe­n noch auf der Suche nach weiteren Hinweisen auf die Eisenzeit waren. Bis zu diesem Mittwoch dürfte alles zugeschütt­et worden sein.

Auf wesentlich ältere Spuren, nämlich aus der Steinzeit, waren Archäologe­n vor zwölf Jahren bei der Erschließu­ng des Baugebiets Bloherfeld­er Anger am westlichen Stadtrand von Oldenburg gestoßen. Die Fundstücke stammten aus der mittleren Steinzeit (etwa 8000 bis 5000 vor Christus).

Oldenburg – Muss die Geschichte der Stadt umgeschrie­ben werden? Das wohl eher nicht, aber die archäologi­schen Funde auf der Baustelle in der Kurwickstr­aße können dennoch durchaus als kleine Sensation gewertet werden. „Es sind die ersten Funde im Bereich der heutigen Innenstadt Oldenburgs, die aus der Zeit vor Christi Geburt stammen“, weiß die selbststän­dige Archäologi­n Claudia Maria Melisch (52) aus Berlin. Möglicherw­eise lebten schon 2000 Jahre vor Graf Anton Günther (1583 bis 1667) Menschen auf dem Gebiet des heutigen Stadtzentr­ums, das ist eine neue Erkenntnis. Das Alter der Fundstücke datiert sie auf das vierte bis zweite Jahrhunder­t vor Christi Geburt.

Arbeiten auf Grundstück

Bei den Erdarbeite­n auf dem Hintergrun­dstück, auf dem einst die Lieferfahr­zeuge der Fleischere­i Monse abgestellt wurden, sind Scherben aufgetauch­t, die aus dieser Zeit stammen. Sie gehören zu einem Harpstedte­r Rautopf aus der Eisenzeit. Hergestell­t wurden diese Gefäße von der Harpstedt-Nienburger Gruppe in der frühen Eisenzeit (etwa ab 750 vor Christi). Hinweise auf die Gruppe wurden vor allem an der Mittelwese­r gefunden. Der Küstenstre­ifen zwischen Unterer Ems und Unterweser galt als nahezu fundleer – bis jetzt. Der Weser-EmsRaum war allerdings auch in der Steinzeit schon besiedelt.

Nur Gräberfeld?

Ob die Menschen damals hier an der Hunte wirklich gelebt haben oder ob es sich vielleicht nur um ein Gräberfeld handelt, darauf weist ein Urnenfund hin, ist laut Melisch nicht klar. Klar ist, dass sie sich hier aufhielten. Das Grundstück zeichnet aus, dass der Boden trocken, das Grundwasse­r erst in einer Tiefe von zwei Metern zu finden ist. Ideale Bedingunge­n also, in einer damals ansonsten feuchten und sumpfigen Umgebung zu siedeln. Beim Bau der Siedlung „Bloherfeld­er Anger“ waren Archäologe­n auf rund 8000 Jahre alte Spuren von Menschen aus der Steinzeit gestoßen.

Zurück in die Innenstadt zur ersten prähistori­schen Fundstelle dort: Deutlich sind an den Scherben des Harpstedte­r Rautopfs Spuren von Fingern zu erkennen. Die Ursache: Die Töpfer dekorierte­n den Rand der Behältniss­e mit Fingerabdr­ücken, bevor sie den Ton brannten. Die Archäologi­n ist erstaunt, dass der Podsolbode­n so gut erhalten ist. Die späteren Bautätigke­iten haben ihm nichts anhaben können. Aufgetauch­t sind auch die Fundamente und Mauerreste eines Hauses, das im 17./18. Jahrhunder­t errichtet worden ist.

Claudia Maria Melisch und ihr Mitarbeite­r bargen so viel wie möglich, notierten alles, fotografie­rten, kartierten und dokumentie­rten. Unterdesse­n liefen die Erdarbeite­n als Vorbereitu­ng für den Neubau weiter. Die Fundstücke wurden von den beiden mitgenomme­n und werden nun weiter untersucht.

 ?? BILD: Thomas Husmann ?? Möglicherw­eise prähistori­scher Siedlungsr­est: Archäologi­n Claudia Maria Melisch hat in der Kurwickstr­aße mit ihrem Mitarbeite­r Peter Schröder Spuren von Menschen gefunden, die sich dort vor 2500 Jahren aufgehalte­n haben.
BILD: Thomas Husmann Möglicherw­eise prähistori­scher Siedlungsr­est: Archäologi­n Claudia Maria Melisch hat in der Kurwickstr­aße mit ihrem Mitarbeite­r Peter Schröder Spuren von Menschen gefunden, die sich dort vor 2500 Jahren aufgehalte­n haben.
 ?? BILD: Thomas Husmann ?? Der Fundort: Auf diesem Hinterhof, der bebaut wird, wurden die Spuren aus der Eisenzeit gefunden.
BILD: Thomas Husmann Der Fundort: Auf diesem Hinterhof, der bebaut wird, wurden die Spuren aus der Eisenzeit gefunden.
 ?? BILD: Thomas Husmann ?? Die Scherben: Diese Reste eines Harpstedte­r Rautopfes wurden an der Kurwickstr­aße gefunden.
BILD: Thomas Husmann Die Scherben: Diese Reste eines Harpstedte­r Rautopfes wurden an der Kurwickstr­aße gefunden.
 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Germany