Touristen verlassen das Alpenidyll
Berchtesgadener Land macht dicht – Essen nur zum Abholen – Schulen und Kitas geschlossen
Bad Reichenhall – Der Watzmann ist schon in Weiß gehüllt, auf den Bergen liegt erster Schnee, im Tal leuchten die Bäume rot und gelb. Ein goldener Herbsttag lockt mit blauen Himmel im Ferienidyll Berchtesgadener Land. Doch alle Urlauber packen ihre Koffer. Hotels und Ferienwohnungen leeren sich. Mitten in die Herbstferien hinein muss der oberbayerische Landkreis Berchtesgadener Land strikte Ausgangsbeschränkungen erlassen. Steigende Corona-Zahlen zwingen zum Handeln.
Er sei enttäuscht und traurig, sagt ein 80-jähriger Gast aus Duisburg. Elf Tage wollte er mit seiner Frau noch bleiben, nun müssen die beiden überstürzt ihre Ferienwohnung räumen. „Dass wir Gäste wegschicken müssen, da blutet das Herz“, sagt ein Berchtesgadener Gastgeber. „Es ist echt bitter.“Aber auch: „Es ist konsequent.“
■ Trauriger Rekord
Am Montag hatte das Berchtesgadener Land bundesweit einen traurigen Rekord aufgestellt. Die Sieben-Tage-Inzidenz lag laut Ministerin Michaela Kaniber bei 272,8. Am Dienstag sank die Zahl der Corona-Neuinfektionen pro 100 000 Einwohner binnen sieben Tagen leicht auf 236, das Landratsamt meldete 40 neue Sars-CoV-2-Fälle seit Montag.
■ „Halber“Lockdown
Seit Dienstag gilt nun in dem Landkreis erstmals seit dem Frühjahr wieder eine Art Lockdown. Nun ist das Verlassen der eigenen Wohnung nur noch mit triftigem Grund erlaubt. Auch bayernweit sind es die ersten Ausgangsbeschränkungen seit Monaten, sie gelten
vorerst für 14 Tage. Herrschte bis Mittag noch reger Betrieb auf den Straßen, so war etwa der Ort Berchtesgaden am Nachmittag fast leer gefegt. Wenige Passanten waren unterwegs – mit Masken. Schulen und Kitas wurden geschlossen. Mütter und Väter mussten sich organisieren, um ihren Nachwuchs zu betreuen. Eine Notbetreuung sollte eingerichtet werden. Freizeiteinrichtungen blieben zu – auch die Gaststätten.
■ Suche nach Antworten
Warum die Infektionszahlen ausgerechnet im Landkreis Berchtesgadener Land nach
oben geschossen sind – die Behörden halten sich mit Aussagen zurück. Landrat Bernhard Kern (CSU) spricht am Dienstag erneut von einem „diffusen Infektionsgeschehen“. Manche spekulieren, dass die lokale Welle von einer Geburtstagsfeier mit hundert Gästen ausging. Dem widerspricht Landrat Kern. Andere vermuteten, dass vom Nachbarort Kuchl auf österreichischer Seite etwas eingeschleppt wurde – Kuchl steht wegen hoher Zahlen unter Quarantäne. Dass das Virus von dort kam, halten Einheimische jedoch für unwahrscheinlich, es gebe kaum Pendler. ■ Urlauber fahren heim Viele Autos mit auswärtigen Kennzeichen verließen am Dienstag die Gegend um den Königssee – Abreise. Bayerns Staatskanzleichef Florian Herrmann (CSU) legte Urlaubern aus dem Hotspot-Gebiet im Zweifel Corona-Tests nahe.
Vielerorts deckten sich Menschen am Vormittag mit Lebensmitteln ein. „Ich kaufe ein, damit der Kühlschrank voll ist“, sagt Rentnerin Elisabeth Irlinger. Dass alles zurückgefahren werde, sei traurig, bereite ihr aber keine Sorgen. „Ich kenn das ja schon von früher.“
Vor allem der Einzelhandel jenseits von Lebensmitteln ist
besorgt, auch wenn die Läden zunächst offen bleiben. Erneut trifft es die Gastronomie, die nur noch Essen zum Mitnehmen verkaufen darf, und die Beherbergungsbetriebe.
■ Kritik von Hoteliers
Der Bayerische Hotel- und Gaststättenverband Dehoga kritisiert den Tourismusstopp. „Wir verstehen nicht, warum es zu einer Zwangsschließung aller Beherbergungsbetriebe von jetzt auf gleich kommen muss“, sagte Präsidentin Angela Inselkammer. Die Hotels verfügten über Hygienekonzepte, die Gäste seien registriert.